
Grätzlgeschichten
Im neuen Geschichte-Podcast der Stadt Wien erzählen die Zeithistoriker und Geschichtsgreisslerei-Podcaster Andreas Filipovic und Walter Szevera "Grätzlgeschichten" aus der Wiener Historie. Erzählt wird die Bezirks-Geschichte anhand eines zentralen Ortes in den 23 Bezirken – dort wo sich wichtige Ereignisse für die politische oder gesellschaftliche Entwicklung unserer Stadt abgespielt haben.
Grätzlgeschichten
11 | Wieden – Wie sich der Karlsplatz von einer Aulandschaft zum Zentrum des Stadtlebens entwickelte
Dieses mal geht's für Andreas und Walter in den vierten Wiener Gemeindebezirk. Im Mittelpunkt der Grätzlgeschichte zu Wieden steht der Karlsplatz, benannt nach Kaiser Karl VI. Der Karlsplatz ist Verkehrsknotenpunkt und ein Zentrum der Kultur in Wien. Geformt wurde er durch die Überwölbung des Wienflusses und den Bau der Stadtbahn. Im Laufe der Jahrzehnte erlebte er zahlreiche Veränderungen, darunter die Bebauung während der Ringstraßenzeit und später die Errichtung von Verkehrswegen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Mehr Wiener Geschichte findet ihr im Wien Geschichte Wiki. Andreas und Walter könnt ihr außerdem in der Geschichtsgreißlerei hören.
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-Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Grätzlgeschichten. Es begrüßen euch Andreas und Walter. Ja, heute wollen wir uns wieder einen Wiener Bezirk und dort ein ganz bestimmtes Grätzl anschauen. Walter, wohin geht es heute?-Heute besuchen wir den vierten Bezirk, die Wieden. Also ein kleinerer Wiener Gemeindebezirk. Ist eigentlich so recht kuschelig mit vielen Botschaften und Gärten.-Recht nobel. -Recht nobel, mit sehr vielen Bewohnerinnen und Bewohnern, die eher zu den höheren Einkommensschichten gehören. Ja, und dann suchen wir uns aber einen ganz speziellen Platz aus, nämlich den Karlsplatz. Und der ist natürlich sehr dominant, nicht nur für die Wieden, sondern auch für die Stadt Wien.-Wunderbar. Bevor wir einsteigen,
hätte ich gesagt:zwei Minuten Heimatkunde.-Vor genau 888 Jahren wurde das Gebiet von Wieden, dem vierten Wiener Gemeindebezirk, zum ersten Mal urkundlich erwähnt und ist somit die älteste Vorstadt Wiens. Die vor dem Kärntner Tor gelegene Wiedner Hauptstraße bildet für lange Zeit die Ausfallstraße in den Süden und wird zu einer der wichtigsten Versorgungslinien für die Stadt. Als Bezirk wird Wieden 1850 eingemeindet. Anfangs ist die Wieden einer der größten Bezirke, da bis 1874 auch große Teile von Favoriten dazugehören. Aber gleich 1861 wird der ökonomisch weniger wohlhabende Teil abgespalten, der sich als fünfter Bezirk konstituiert. Und diese soziale Trennung kann man auch heute noch feststellen. Obwohl nach der Abtrennung der Bezirke 5 und 10 Wieden zu einem der kleinsten Bezirke wird, gehört er sicherlich zu den geschichtsträchtigsten. Der Name leitet sich eigentlich vom Begriff Pfarrhof ab und ist bis Mitte des 19. Jahrhunderts von Gärten, Gastronomie und adeligen Palais dominiert. Denn nach den beiden osmanischen Belagerungen von 1529 und 1683 waren die Bezirksgebiete komplett verwüstet. Diese Brache gibt den nach den erfolgreichen Feldzügen gegen die Osmanen wieder zu Wohlstand gekommenen Adel die Möglichkeit größere und kleinere Answesen zu errichten. Man sucht die Nähe zur damaligen Sommerresidenz des Kaiserhauses, der Neuen Favorita. Diese wird unter Maria Theresia aufgegeben und den Jesuiten übertragen, welche sie zu einer Schuleinrichtung umwandeln. Bekannt ist diese heute als Theresianum, einem Gymnasium mit elitären Ansprüchen und Heimat der Diplomatischen Akademie. Ein wenig klingt das dann schon nach einem Treppenwitz der Geschichte, denn das urproletarische Favoriten leitet seinen Namen vor dieser sehr elitären Anstalt ab. Die Wieden ist aber nicht nur eine Wohnstätte für den Adel, sondern auch für viele Handwerker und Kleingewerbler. So stand am jetzigen Gelände der neuen Technischen Universität und Umgebung der größte Wohnkomplex zur Miete in den 1780er Jahren, nämlich das Freihaus. Der große Komplex bot Wohnungen für über 1000 Menschen, war eine eigene Stadt in der Stadt und hatte sogar ein eigenes Theater, in dem 1791 die Premiere von Mozarts "Die Zauberflöte" aufgeführt wurde. Zunehmend veräußerte der Adel seine Palais und in die repräsentativen Gebäude ziehen vor allem ausländische Botschaften und Konsulate ein. Die Nähe zur Innenstadt und aristokratische Wohnkultur machen die Wieden daher zum Botschaftsviertel par excellence. Aber auch Kultur und Wissenschaft spielen in Wieden eine wichtige Rolle. So beherbergt Wieden die größte Technische Universität Österreichs am Karlsplatz mit mehr als 27. 000 Student*innen. Und wenn man sich über die Geschichte der Stadt informieren will, so ist das erst vor kurzem wieder eröffnete Wienmuseum einer der ersten Adressen. Der Bezirk machte auch zahlreiche Wandlungen während der wechselhaften Geschichte Wiens durch. Der Karlsplatz war eigentlich immer schon eine Baustelle, der seit Beseitigung der Stadtmauer mehr als einmal sein Gesicht komplett verändert hat. Das austrofaschistische Regime drückte mit diversen Assanierungen in der Operngasse und rechter Wienzeile dem Bezirk seinen Stempel auf. Höhepunkt bildet dabei sicher die Errichtung des Funkhauses in der Argentinierstraße. Ein Gebäude, das eindeutig architektonische Anleihen am italienischen Faschismus nimmt. Und noch ein im vierten Bezirk befindliches Bauwerk zeigt die wechselhafte österreichische Zeitgeschichte. Der reichste Mann am Ende der Monarchie, Albert Salomon Anselm Freiherr von Rothschild, baut sich auf der nunmehrigen Prinz-Eugen-Straße ein Stadtpalais von unvergleichlichem Luxus. Die Nazis beschlagnahmen 1938 das Palais und während des Zweiten Weltkriegs haust hier für eine Zeit lang der Massenmörder Adolf Eichmann, um den industriellen Massenmord an den europäischen Juden zu organisieren. Nach dem Krieg kann aber das Gelände dann doch noch einem positiven Zweck zugeführt werden. Die Familie Rothschild überäußert das Gebäude der Republik. 1954 wird das Palais abgerissen und auf seinem Grundstück die Zentrale der Arbeiterkammer, der gesetzlichen Vertreterin aller Arbeiter*innen und Angestellten, errichtet.-Ja, also willkommen an der Wieden. Jetzt meine Frage, wie fing das alles an?-Nun, wenn man sich den Karlsplatz einmal so anschaut, also das Gelände, dann ist das ja eigentlich gar kein richtiger Platz, am ersten Eindruck. Es ist ja enorm weitläufig, hat eigentlich kein wirklich geschlossenes Ensemble. Es ist ja eher intensiver Verkehr, der dort stattfindet. Und je nach unterschiedlicher Perspektive wirkt das ja, wie schon gesagt, kein geschlossenes Gelände. Also in manchen Teilen sieht man überhaupt keine Passanten, weil die Autobahn eigentlich das Gelände beherrscht. Und die Passanten sind ja dann eher unterirdisch unterwegs. Und dann gibt es wiederum andere Teile vom Karlsplatz. Die schauen aus wie kleine Stadtwäldchen, da herrscht ja sehr viel Ruhe. Also der Architekt Otto Wagner hat ja zu Recht auch immer gesagt, der Karlsplatz ist gar kein Platz, sondern eine Gegend.-Na, du sagst das eh schon richtig mit den Stadtwäldchen. Ich meine, ursprünglich war das ja alles eine Aulandschaft, oder?-Ja, also der Wien-Fluss hat ja eigentlich diesen Karlsplatz, oder der jetzige Karlsplatz ist ja stark dominiert und geprägt. Es war eigentlich, wie ich meine, so eine Sumpfgegend vor dem Kärntner Tor. Es war am Anfang auch ein Gebiet, das man zuerst mit Brücken und mit Stegen überqueren musste. Also gerade die Römer hatten ja schon erste Ausfallstraßen gebaut, vor allem in den Süden. Für die war der Süden ja extrem wichtig, also der Weg dahin. Weil am Norden war ja auch natürlich auch militärisches Sperrgebiet, mehr oder weniger. Und so war die Wien eigentlich eine der ersten Durchzugsstraßen für römische Transport.-Ja, die Wiener Hauptstraße quasi. Und ich meine, den Karlsplatz, also jeder, der so wie ich aus dem Wiener Umland, also südlich von Wien kommt, der kennt natürlich den Karlsplatz total gut, weil die Badner Bahn, beziehungsweise auch die Busse der Wiener Lokalbahn ja dorthin fahren. Das ist auch heute noch immer wichtig nach Süden. Und ich glaube auch schon im Altertum war das ja so, dass die Leute durchaus von Vindobona in Richtung des heutigen Badens, des damaligen Aquae, gefahren sind. Weil natürlich damals hat man schon die Schwefelquellen gekannt und hat sie im doch eher harschen Winter das eine oder andere Rheuma oder Gichtleiden dort behandelt.-Ja genau, die Thermalquellen waren von großer Bedeutung. Die Wiener Hauptstraße war schon mehr oder weniger eigentlich eine Römerstraße. Und wie immer haben die Römer auch ihre Gräber außerhalb des Stadtgebiets errichtet. Und an der Wiener Hauptstraße, selbst am Karlsplatz, war eigentlich auch ein relativ großes Gräberfeld. Und man findet dort immer wiederum römische Gräber, beziehungsweise Grabinschriften und Säulen. Und die Tradition, dass da eigentlich immer wiederum Leute begraben und dass es Friedhöfe gab, hat sich dann bis ins Mittelalter auch fortgesetzt.-Genau, im Mittelalter sehen wir das ja sozusagen wieder, dieses kurz vor der Stadt sein quasi, also direkt vor der Stadt sein, auf der wichtigen Durchzugsstraße. Da hat es ja durchaus auch Spitäler und sowas gegeben.-Ja, es gab zwei große Spitäler, nämlich das Heiligengeistspital, und das Bürgerspital. Das Heiligengeistspital war eigentlich die ältere Gründung aus dem 13. Jahrhundert. Es diente ja vor allem auch der Seelsorge und war auch eine medizinische Einrichtung. Es war natürlich auch für Reisende sehr komfortabel, bevor sie in die Stadt gekommen sind. Die Stadttore waren schon geschlossen, konnten sie dort Unterkunft finden. Es gab dann das zweite, das nachher gegründete Bürgerspital. Das war eher von der Stadt her organisiert, also nicht von einem Orden. Und war aber irgendwie auch das ökonomisch erfolgreichere Modell. Also Anfang des 15. Jahrhunderts hat man dort eigentlich im Heiligenspital aber schon Medizingeschichte geschrieben. Also dort gab es die ersten anatomischen Leichenuntersuchungen und man war in Kooperation auch mit der Universität. Das Heiligengeistspital wurde aber eigentlich auch früher aufgelassen. Und interessanterweise, viele Ordensbrüder aus dem Heiligengeistspital haben dann die Religion gewechselt. Sie wechselten zum Protestantismus über und verließen auch das Spital. Und darum war das Heiligengeistspital auch relativ bald auch verwaist. Hingegen das Bürgerspital war eben ökonomisch erfolgreich. Und die haben auch wirklich dort sehr viel Krankenpflege vorgenommen, hatten auch einen sehr konkreten Auftrag vom Kaiserhaus und auch von der Stadt. Und haben, um ihre Ausgaben zu decken, sehr erfolgreiche Brauereien, Weingärten, Ausschenken betrieben, Apotheken. Und war so wirklich ein kleiner Wirtschaftsfaktor in der Stadt. Direkt eben vor dem Kärntner Tor gelegen.-Also, direkt vor der Stadt. Aber da gab es ja wahrscheinlich dann mit der Türkenbelagerung den ersten Einschnitt.-Ja, also die erste Türkenbelagerung 1529. Oder korrekterweise eigentlich die Belagerung durch die Osmanen. Hat natürlich dieses ganze Gebiet dort verwüstet. Also das Hauptlager und die Hauptangriffe fanden ja auch am Kärntner Tor statt. Mit Mühe und Not konnte man 1529 auch diese Angriffe abwehren. Da war schon, glaube ich, so eine 80 Meter große Spalte in der Stadtmauer. Und wie schon im letzten Moment konnten also die Osmanen da zurückgedrängt werden. Aber das Gebiet war dort komplett verwüstet. Dann hat man das Zeitlang eben auch als militärische Brache gelassen. Eben. Damit man sich keine annähernden Heere dort Schutz geben kann. Die ganzen Häuser wurden dort abgerissen, um eben ein Schussfeld zu haben, ein freies. Und eben 1689 kommt es dann zur zweiten Osmanischen Belagerung. Wiederum zur kompletten Verwüstung dieses Gebiets. Ja, und nach all diesen militärischen Auseinandersetzungen kommt dann eigentlich auch eine sehr intensive barocke Umwandlung dieses Platzes.-Das Barock als ja irgendwie auch die dominante Kunstrichtung in Österreich. Und sehr vielen Habsburgisch geprägten Ländern. Und nicht zufällig ist ja auch der Karlsplatz nach dem ersten großen Herrscher des Barock in Österreich benannt. Nämlich nach Karl VI. dem Vater von Maria Theresia.-Ja, wobei die Benamung erst sehr viel später erfolgt. Vorher war das nach wie vor noch Brache und eben militärisches Gebiet. Man versuchte immer wiederum auch Ansiedler wegzudrängen. Das ist mehr oder weniger gut gelungen. Es haben sich aber immer wiederum auch Gewerbebetriebe in der Zwischenzeit dort eingerichtet. Also vor allem Mühlen. Natürlich der Wienfluss war ein sehr wichtiges Gewässer. Man hat das fließende Gewässer auch genützt, um Mühlen zu betreiben. Der Name Bärenmühle, kennt man ja auch vom Karlsplatz, leitet sich unter anderem davon ab. Und es war eben so ein bisschen Gewerbegebiet, militärisches Sperrgebiet und immer wieder die Friedhöfe. Also die Friedhöfe spielten am Karlsplatz eigentlich immer eine interessante Rolle. Und es wurden dann auch durchaus sehr prominente Menschen dort begraben. Also zum Beispiel der große Komponist Antonio Vivaldi fand dort seine letzte Ruhestätte.-Ja, aber kommen wir nochmal aufs Barock.-Praktisch nach dieser zweiten osmanischen Belagerung beginnt so richtig diese imperiale barocke Epoche. Karl VI. leistet ein Gelübde. Er schwört, wenn die Pest in Wien nicht Einzug findet, wird er eine Kirche errichten. Und es kommt zur ersten großen Architekturausschreibung eigentlich in Österreich. Also drei große Architekten bewerben sich um den Bau der Karlskirche. Und zwischen 1716 und 1739 wird eben dieses imperiale Machtsymbol errichtet. Und es Karlsplatz gebaut. Es ist eigentlich so ein bisschen außerhalb der Stadt. Viele fragen sich und wundern sich, warum das eigentlich so gelegen ist. Aber Karl VI. will einfach diese Wieden wieder in den Mittelpunkt stellen. Wie schon gesagt, die Sommerresidenz ist ja auch da in der Nähe, die alte. Und der berühmte Johann Bernhard Fischer gewinnt die Ausschreibung und baut dort eben diese Kirche, die sehr starke Bezüge aufweist eigentlich zum imperialen Rom.-Gut, sie waren ja eine Zeit lang schon römische Kaiser. Hört dann mit den männlichen Habsburgern, aber auch mit Karl VI. wieder auf. -Ja. Am Anfang ist aber trotzdem der Karlsplatz noch Naherholungsgebiet. Also werden dort Alleen eingerichtet, Bäume werden gepflanzt. Der Wien-Fluss ist ja nach wie vor noch unkontrolliert, sorgt für Überschwemmungen. Mit der Belagerung Wiens durch napoleonische Truppen, wiederum beim Kärntner Tor, findet der Hauptangriff der napoleonischen Truppen statt. Sieht man auch, dass die Stadtmauer eigentlich militärisch komplett wertlos ist. Also die Befestigung hat nicht mehr die Funktion, also wirklich ein ausländisches oder ein fremdländisches, Heer abzuwehren und jetzt tauchen die ersten Ideen zum Schleifen an. Interessanterweise waren die Militärs am Anfang dagegen, weil sie gesagt haben, möglicherweise können wir nicht die napoleonischen Heere mit moderner Artillerie abwehren, aber wir könnten die missliebigen oder aufständischen Vorstädte dadurch in Schach halten. Aber im Grunde setzt sich die Idee durch, die Stadt platzt aus allen Nähten, man reißt die Stadtmauer nieder, das Glacis, diese Fortifikation aus der Barockzeit wird eben auch beseitigt, weil sie keine Funktion mehr hat. Und man beginnt dort Nutzbauten einzurichten. Einer der ersten war 1816 eben das Polytechnikum, das ist die heutige Technische Universität. Und das war auch ein ganz wichtiger Schritt, weil man brauchte einfach ganz dringend technische Fachkräfte.-Lass mich raten, Vorbild war sicher wieder irgendeine französische Einrichtung?-Also die Franzosen waren natürlich in der Zeit wirklich die federführende Nation in vielen Belangen, in der Literatur, aber auch in der Wissenschaft. Und das war eben natürlich vor allem die École Polytechnique, die es auch jetzt noch in Paris gibt, die ja auch eine Elite-Schule ist. Also für sehr viele Würdenträger und auch Politiker in Frankreich. Und später wird dann praktisch dieses Polytechnikum in die Technische Hochschule umgewandelt. Und ein bisschen sieht man es ja auch noch, die vielen Denkmäler, die im Resselpark stehen, die natürlich immer vor den großen Wissenschaftlern, Technikern oder Erfindern gewidmet sind.-Da frage ich an der Stelle, warum heißt eigentlich der Resselpark Resselpark?-Also nach dem Ingenieur und Erfinder Ressel, den Erfinder der Schiffsschraube. Also das war natürlich einer der ganz wichtigen Innovationen für Transportwesen im 19. Jahrhundert. Und dementsprechend hat man ihm auch diesen Park auch gewidmet.-Und quasi ein direkter Bezug zur Technischen Hochschule dabei.-Der Karlsplatz wird natürlich auch immer wichtiger, so mit dem Umbau der Ringstraße. Also die Stadtmauer wird endgültig abgerissen. Und peu à peu baut man dort in der Brache wichtige Gebäude hin, wie zum Beispiel die Evangelische Schule. Es gibt die Elisabethbrücke, eine sehr prominente Brücke, die dann später mit der Flussregulierung auch abgerissen wird. Es entsteht die Handelsakademie. Wie das Künstlerhaus und das neue Musikvereinsgebäude. Diese Gebäude entstehen alle zwischen 1860 bis ungefähr 1870. Auch zum Beispiel dieses Künstlerhaus war unter anderem so eine Initiative von Künstlervereinigungen, Industriellen und Bankiers. Also da hat weniger der Staat eigentlich gebaut, sondern es war so wirklich dieses neue wohlhabende Bürgertum, das sich dort aus seinen repräsentativen Gebäude errichtet hat.-Aber wie entsteht jetzt eigentlich der moderne Karlsplatz?-Ja, der moderne Karlsplatz entsteht mit der endgültigen Regulierung des Wienflusses. Und zwar zwischen 1894 und 1900 wird also der Wienfluss komplett eingewölbt. Er wird also unter die Erde verbracht. Und es entsteht jetzt zum ersten Mal so ein wirklicher Platz. Und in dem Zusammenhang erhält auch der Karlsplatz seinen offiziellen Namen, nämlich 1899 den Karlsplatz. Und wie du es schon vorhin erwähnt hast, eben nach dem Kaiser Karl VI. und dem Gründer der Karlskirche. Der Wienfluss war nicht nur ein Problem für den Verkehr, sondern war auch natürlich ein hygienisches Problem. Also bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde ja fast die Hälfte der Abwässer über den Wienfluss und den daneben einfließenden Ottakringerbach abgeleitet. Also der Ottakringerbach mündete damals am Getreidemarkt in die Wien. Und diese Überwölbung schaffte also sehr viel Bauland. Pläne konnten nun für wirkliche Prachtboulevards entwickelt werden, so neben der Wien. Karlsplatz war ein Stiefkind natürlich auch dieser Entwicklung, weil zuerst hat man die Ringstraße ausgebaut. Und dann im nächsten Zug wollte man eigentlich die Wienzeile als nächsten Boulevard und Prachtstraße entwickeln. Aber da war eigentlich dann das Geld aus. Bzw. der Erste Weltkrieg hat dann natürlich auch dem ein Ende gesetzt. Der Architekt des Karlsplatzes war natürlich Otto Wagner. Also der war maßgeblich an der Gestaltung des Platzes beteiligt und eben auch im Bau der Stadtbahn. Also die Stadtbahn spielt dort auch eine wichtige Rolle. Heute praktisch die U4. Und hat wirklich zum ersten Mal eine Schnellverbindung ermöglicht vom Norden und Nordosten der Stadt bis wirklich tief in den Westen. Also von Hütteldorf bis Heiligenstadt. Die heutige U4-Strecke. Und damit war es zum ersten Mal möglich, wirklich die Stadt innerhalb kürzester Zeit zu durchqueren. Zentrum dieser Verbindung war eigentlich der Karlsplatz.-Und der Karlsplatz in seiner heutigen Form war dann wann fertig?-Also am Beginn des 20. Jahrhunderts stand er mehr oder weniger so da. Also wurden auch die Begrünungen vorgenommen, die Straßen angelegt und hat sich dann lange Zeit auch nicht verändert. Also er war aber zweigesichtig. Auf der einen Seite gab es diese Prachtbauten, wo sich das Bürgertum auch abgefeiert hat. Aber in den Untergrund sind sehr viele Leute gezogen, die keine Wohnstätte hatten. Sehr viele Obdachlose. Wie.-Muss ich mir da den Untergrund vorstellen?-Ja, das war so ein bisschen wie im Dritten-Mann-Film. Die Leute haben in der Kanalisation gewohnt. Weil dort war es wenigstens einigermaßen trocken. Es war geschützt. Man war auch geschützt vor den Blicken der Polizei oder den Nachstellungen der jeweiligen Organe. Und dort konnte man versuchen, ein elendes, aber doch immerhin noch ein mögliches Leben zu organisieren.-Gut, da gibt es ja auch aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts die literarischen Reportagen eines Max Winter unter anderem.-Ja, also die waren so erste Sozialreportagen. Wirklich kann man sagen, auch im Beginn des 20. Jahrhunderts. Also auf jeden Fall lesen, welches Elend auch in diesem Fin de siècle Wien auch herrschte. Die einen haben oben Bälle und tolle Gebäude abgefeiert. Und unten praktisch, genau am selben Platz, 20 Meter weit in der Tiefe, herrschte das schlimmste Elend. Es gab auch die Lichtbildvorträge vom Kläger und Drawe an der Urania. Das waren auch zum ersten Mal wirklich so volksaufklärerische Vorträge über das Elend, das in diesem Kanalsystem auch herrschte. Und wie schon gesagt, die Eingänge befanden sich vor allem am Karlsplatz und in der Nähe vom Stadtpark, wo eben diese sehr armen Menschen einfach dort am Eingang in dieses sehr ausgedehnte Kanalisationssystem fanden.-Gleichzeitig, du hast es eh schon gesagt, ist es ja auch immer ein bisschen so rund um den Karlsplatz ein Ort der Kunst.-Es entstehen ja dort sehr viele Museen und Gebäude, die einfach für Konzerte genützt werden. Also vor allem das berühmte Künstlerhaus von 1861. Interessanterweise war das ja eine Genossenschaft. Das haben sich die Künstler selbst errichtet, also mussten Beiträge zahlen und konnten dann ihre eigenen Werke ausstellen. Da gab es aber innerhalb kürzester Zeit natürlich totale Streitigkeit, weil es war natürlich eine höchst spannende Zeit, also nicht nur der politischen Verwerfungen, sondern auch wieso Kunst gestaltet sein muss. Fin de siècle. Ja. Es gab heftigen Streitigkeiten, dass man die Sezession gründet, also steht ja auch im Namen drin, die Sezession ein paar hundert Meter weiter am Karlsplatz. Also die Abspaltung. Ja, also da war auch der berühmte Klimt federführend, hat sich dann aber wieder von der Sezession auch wieder verabschiedet. Also da selbst gab es auch wieder Streitigkeiten. Also das ist natürlich auch sehr lustig, so wie beim Fußballverein. Also sie spalten sich unterbrochen nochmals. Otto Wagner hatte aber noch viel größere Pläne für den Karlsplatz eigentlich vor. Er wollte dort ein riesiges Stadtmuseum errichten. Da gab es dann später die Idee, dieses Stadtmuseum auf der Schmelz zu gründen. Wollte den Naschmarkt komplett regulieren. Wollte die Wienzeile in so einem prächtigen Boulevard ausbauen und mehr Hotels und Zweckbauten dort errichten, habe ich schon gesagt. Die finanziellen Mittel waren aus und der Erste Weltkrieg hat dann praktisch dieser Entwicklung ein endgültiges Ende gesetzt.-Wie geht es weiter nach dem Ersten Weltkrieg?-Ja, da war eigentlich Stillstand. Also man hatte andere Sorgen. Also Wien fiel ja in die ärgste Armut. Da hatten wir immer mehr Probleme, Lebensmittel für die Stadt bereitzustellen. Also einen Prachtboulevard weiter auszubauen. Es gab also keine Mittel für weitere Umbauten. Und erst später dann, unter dem Austrofaschismus, gab es ein Sanierungsvorhaben. Also die Operngasse wurde umgebaut. Das sieht man auch jetzt noch. Da gibt es sehr viele 20er, 30er, 40er Jahre Gebäude, die sehr funktional waren und diese Handschrift des Austrofaschismus trugen. Nach dem Zweiten Weltkrieg werden neue Pläne geschmiedet für den Karlsplatz. Und die einzige erste Antwort ist Autoverkehr. Also man leitet eigentlich die Stadtautobahn quer über diesen Karlsplatz. Und der Karlsplatz wird eigentlich mehr oder weniger zur Verkehrshölle. Zum Teil ist es ja immer noch sehr seltsam, so an einer zentralen Stelle eine sechsspurige "Autobahn" vorzufinden, die es ja nach wie vor noch gibt. Und das wurde stark in den 50er und 60er Jahren eigentlich forciert. Und da hat man eigentlich kein Gegenkonzept zu diesem tosenden Autoverkehr gefunden. Was dann aber interessanterweise passiert ist, dass man den Autoverkehr zwar lässt, aber man versucht zumindest, den Untergrund neu zu gestalten. Und mit dem U-Bahnbau ab Beginn der 1960er Jahre kann man eigentlich den Karlsplatz zumindest unterirdisch völlig neu gestalten. Es entsteht ein riesiges Labyrinth eigentlich an Gängen, Tunnel, Unterführungen. Ja, und das prägt ja nach wie vor noch den Karlsplatz heute, dass es eigentlich ein sehr verwirrendes Labyrinth gibt an Unterführungen. Man kann ja praktisch von der Sezession bis zum Resselpark auch unterirdisch den Karlsplatz abgeben. Ab den 70er Jahren gibt es dann weitere Ideen zur Parkgestaltung. Zum Beispiel 1971 überlegt man sich, ein großes Wasserbecken einzurichten, das es erst nach wie vor gibt. Man wollte es am Anfang sogar dreifach so groß haben, wie es heute existiert.-Das wäre dreimal so viel Spaß gewesen.-Ja, wäre dreimal so viel Spaß gewesen. Interessanterweise, es gab sehr große Anrainerproteste, die Presse war auch dagegen und darum hat man sich auf die jetzige Größe eben verlagert. Was aber den Karlsplatz noch einmal entscheidend umgestaltete, war natürlich, dass dort die größte Baustelle Europas in den 60er und 70er Jahren stand, nämlich der U-Bahn-Bau. Also die U4 wurde dort eingerichtet, die U1, also die zwei Hauptlinien. Die U2 kam ja auch noch dann später dazu. Das war eine riesige Baustelle, die sehr viele Jahre lang auch den Karlsplatz wirklich zu einer riesigen Wüste und Baulandschaft verwandelt hat. Karlsplatz bekommt dann in den späten 90er, Anfang 2000er Jahre ein schlechtes Image. Die Drogenproblematik wird dort sehr virulent. Das hängt natürlich auch mit diesen verwinkelten Gängen zusammen, die zentrale Stelle. Den Park. -Der Park. Also alles hier hat leider dazu beigetragen, dass sich dort ein sehr florierender Drogenmarkt entwickelt hat. Dem konnte man aber auch zum Glück Herr werden, und zwar nicht nur durch polizeiliche Maßnahmen, sondern auch durch eine sehr kluge Drogenpolitik. Dass man wirklich auf Suchtgiftprävention setzte, mit Sozialarbeitern, mit Streetworkers dort gearbeitet hat und konnte eigentlich dort das sehr wirklich virulente und durchaus bedrohliche Szenario zumindest stark eindämmen. Ja, und den Karlsplatz wirklich zu einem Platz machen, wo man sich auch für andere Dinge engagieren kann. Nämlich vor allem für Kunst. Es gibt sehr viele Märkte jetzt dort. Es gibt immer wiederum Kunstinstallationen.-Festivals. -Festivals. Es gibt dort jetzt das neu errichtete oder wieder neu errichtete Wien Museum. Das ist wirklich einer der spannendsten Museen, die wir in der Stadt sehen. Also es gibt das Provisorium der Kunsthalle. Das ist auch geblieben. Also der Karlsplatz war immer so ein Ort auch zum Experimentieren, weil es halt natürlich auch sehr viel Platz war. Zum Teil hat er einen starken Charakter und zum Teil auch wieder keinen starken Charakter, den man immer wiederum ändern konnte.-Und das klaren Sie natürlich zentrumsnah.-Extrem zentrumsnah. Also wir haben ja vorhin den Otto Wagner erwähnt, der gemeint hat, der Karlsplatz ist gar kein Platz, sondern eben eine Gegend. Der Literat Hans Weigl nannte ihn aber zum Beispiel das eigentliche Herz von Wien. Also es gibt da immer sehr unterschiedliche Perspektiven. Die Geschichte zeigt hat, wie der Karlsplatz sich also wirklich von einer natürlichen Aulandschaft zu einem zentralen multifunktionellen Stadtplatz entwickelt hat. Also der auch wirklich die verschiedenen Epochen der Wiener Stadtgeschichte widerspiegelt. Und das macht ihn wirklich eines der interessantesten Orte der Stadt.-Ja und wo in diesem eigentlichen Herzen von Wien befindest du dich gern? Was für Orte suchst du auf?-Das ist schwierig zu sagen, weil der eben so plural ist. Aber wenn man es einmal spontan sagen will, ist diese Marc-Anton-Gruppe vor der Sezession. Das ist wirklich eine sehr lustige, interessante Skulptur, die da steht, eben dieser Marc-Anton. Und dann gezogen von irgendwelchen Wildtieren, also Löwen und Panther, glaube ich, sind das. Und das ist so mitten zwischen dem tosenden Verkehr. Und man hat da einfach einen wunderbaren Blick natürlich auf die Wienzeile und auf den Rest vom Karlsplatz. Und deiner? -Ja, also ich meine, prinzipiell mag ich den Resselpark. Aber ich glaube, also gerade jetzt, auch nach der Neueröffnung, finde ich einfach dieses Wien-Museum großartig. Mit der kostenlosen Dauerausstellung und vor allem natürlich auch dem Rooftop-Café, das ja nach der Fotografin Trude Fleischmann auch benannt ist und wo man wunderbar einfach auch auf die Karlskirche schauen kann. Und bevor wir auf den Karlsplatz gehen, rufen wir euch, liebe Hörerinnen, dazu auf, uns weiter zu empfehlen. Liked die Beiträge, kommentiert, wenn euch danach ist. Es verabschieden sich Andreas und Walter.-Wie es in Wieden um 1900 ausgesehen hat, gibt der historische Fotoband von Carola Leitner Wieden, Wiens vierter Bezirk in alten Fotografien, wieder. 2007 erschienen, ist er heute leider nur mehr antiquarisch zu erwerben. Im Jahre 2008 gab das Wien-Museum im Rahmen einer Ausstellung den Katalog "Am Puls der Stadt 2000 Jahre Karlsplatz" heraus. Die Herausgeber Christian Rapp, Elke Doppler und Sandro Bekesy zeichnen auf 528 Seiten eine Geschichte dieses Platzes vom Beginn der römischen Gräberfelder bis hin zur neueren Geschichte, erschienen bei Czernin. Will man sich den Karlsplatz in seiner heißen Phase des U-Bahn-Baus als ideale Filmkulisse für einen Agentenfilm ansehen, so empfehlen wir den Streifen Scorpio aus dem Jahre 1973. Eindeutiger Höhepunkt ist die gegenseitige Verfolgungsjagd der beiden CIA-Agenten, gespielt von Burt Lancaster und Alain Delon, durch den vom U-Bahn-Bau zerfurchten Karlsplatz, mal Heimatkunde der anderen Art.