
Grätzlgeschichten
Im neuen Geschichte-Podcast der Stadt Wien erzählen die Zeithistoriker und Geschichtsgreisslerei-Podcaster Andreas Filipovic und Walter Szevera "Grätzlgeschichten" aus der Wiener Historie. Erzählt wird die Bezirks-Geschichte anhand eines zentralen Ortes in den 23 Bezirken – dort wo sich wichtige Ereignisse für die politische oder gesellschaftliche Entwicklung unserer Stadt abgespielt haben.
Grätzlgeschichten
12 | Brigittenauer Sporn – Otto Wagners Wehranlage und die Schemerlbrücke
In dieser Grätzlgeschichte geht's in den 20. Wiener Bezirk – die Brigittenau. Wir erfahren von der bewegten Geschichte dieses Bezirks, der einst durch die Donau geformt und von Überschwemmungen geprägt war, bevor die Donauregulierung (1870–1875) seine heutige Struktur schuf. Zentraler Ort dieser Episode ist der Brigittenauer Sporn – ein geschichtsträchtiges Areal mit der beeindruckenden Wehranlage von Otto Wagner und die heutige Nutzung des Gebiets, das Raum für Sport, Forschung und Naherholung.
Mehr Wiener Geschichte findet ihr im Wien Geschichte Wiki. Andreas und Walter könnt ihr außerdem in der Geschichtsgreißlerei hören.
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-Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe der Grätzelgeschichten. Es begrüßen euch Andreas und-Walter. -Walter, in welchem Bezirk entführst du uns heute?-Na, heute gehen wir in den 20. Bezirk, in die Brigittenau.-Ui, Brigittenau. Kleiner Bezirk, aber sehr vielfältig und ich glaube, es gibt viel zu erzählen.-Ja, hat eine sehr durchzogene und interessante Geschichte. Und wir haben uns einen ganz bestimmten Platz ausgesucht, nämlich den Brigittenauer Sporn. Der liegt zwar etwas abseits, aber steht irgendwie ein bisschen für die Brigittenau in seiner Gesamtheit.-Super, dann würde ich sagen, vorher noch zwei Minuten Heimatkunde.-Dass sich ältere Brigittenauer*innen gerne als Insulaner*innen bezeichnen, kommt nicht von ungefähr. Denn für viele Jahrhunderte war das Wasser das formgebende Element der Landschaft. Erst mit der Donauregulierung von 1870 bis 1875 wird der Bezirk, der damals noch zur Leopoldstadt gehörte, in seiner jetzigen Form fixiert. Zuvor ist die Brigittenau von unzähligen Seitenarmen und Durchläufen der Donau perforiert und ändert seine Topografie nach jedem Hochwasser bzw. Winterschmelze. Entscheidend war dabei die ungemeine Menge von Sand und Schotter, die vor allem während der Winterzeit unter der gefrorenen Oberfläche der Donau angeschwemmt wurde. Von der Dominanz des Wassers geben einige Straßennamen und das Bezirkswappen Auskunft. Die Wolfsaugasse, der Handelskai und die Brigittenauer-Lände. Die Wolfsaugasse, sind nicht umsonst gewählt und einige Straßennamen, in Zwischenbrück, tragen die Namen derjenigen Stadträte und Ingenieure, die sich um die Donauregulierung besonders verdient gemacht haben. Im Wappen finden sich dazu ebenfalls zwei Symbole, nämlich ein Anker und ein auf den ersten Blick leicht missverständliches Gebilde, das eine Zunge darstellen soll. Dabei handelt es sich um die Reliquie der nichtverwesten Zunge des Schutzpatrons der Brücken, des tschechischen heiligen Nepomuk. Da ja der Legende nach vom König Wenzel von einer Brücke, in dessen nassen Tod gestoßen wurde. Dieser Schutzheilige ist auch für die Brigittenau absolut hilfreich, weist ja immerhin ganze sieben große und einige kleine Verbindungsbrücken zu den Bezirken 9, 19 und 21 auf.
Übrigens Legenden:der Name leitet sich von der im Bezirk befindlichen Brigittakapelle ab. Diese wurde aus Dank vom Habsburger Kaiser Ferdinand III. gestiftet, nachdem ihn während der schwedischen Belagerung von Wien, die Kanonenkugel knapp verfehlte. Warum Ferdinand dann gerade die Kapelle einer schwedischen Heiligen widmete, bleibt uns von der Grätzlgeschichte jedoch unklar. Bis zur Donauregulierung wird der Bezirk primär landwirtschaftlich genutzt, vor allem von Jägern, Fischern und Gärtnern. Doch mit der Regulierung stehen relativ zentrumsnah mit einem Schlag große Fläche für die industrielle und gewerbliche Nutzung zur Verfügung. Und diese werden im Eiltempo bebaut. So entsteht mit dem Nordwestbahnhof der größte Bahnhof der Doppelmonarchie, deren Lage den Bezirk immer noch in zwei Teile unterteilt. Daneben werden Fabriken, Bahngelände und Schiffsanlegestellen im großen Stil errichtet. Zusätzlich entstehen innerhalb weniger Jahrzehnte eine große Anzahl von billigen Mietskasernen, in denen das neue Proletariat Unterkunft findet. Dieses rekrutiert sich vor allem aus Binnenmigrantinnen aus Böhmen und Mähren. Daher gehört auch der 20. Bezirk neben Otterkring und Favoriten zu den Stadtteilen mit der größten tschechischen Community. Die Brigittenau war immer schon ein Ort der Zuwanderung. Diese Entwicklung trägt dann wahrscheinlich auch maßgeblich dazu bei, die Brigittenau im Jahr 1900 von der Leopoldstadt abzutrennen und seiner eigenen Verwaltungseinheit zu machen. Aber auch nach dem Ersten Weltkrieg kann die Gemeinde auf billigen Baugrund zurückgreifen und wichtige Zeichen für den sozialen Wohnbau setzen. Aufgrund der späten Bauphasen finden sich daher im 20. Bezirk einige der architektonisch interessantesten Gemeindebauten, wie zum Beispiel der Friedrich-Engels- oder der Winarskyhof-Hof. Unter der Brigittenau bleibt auch der klassische Arbeiter*innen- und Migrant*innen-Bezirk. So weist das statistisch gesehen den dritthöchsten Anteil an Menschen auf, deren Geburtsort nicht in Wien liegt. Und sie ist auch nach Rudolfsheim-Fünfhaus der zweitärmste Bezirk. Dieses Image ändert sich aber seit den letzten 30 Jahren. Mit dem Zuzug von Student*innen und aufgrund zahlreicher infrastruktureller Maßnahmen wie der Bau der U6 und der S45 wird der Bezirk auch für Mittelschichten interessanter. Die unmittelbare Nähe zum Zentrum und die Projektierung eines der größten Erschließungsprojekte der Stadt, nämlich die Errichtung eines komplett neuen Wohnquartiers auf dem Gelände des ehemaligen Nordwestbahnhofs für über 16. 000 Menschen mit fast 6. 500 Wohnungen, macht die Brigittenau zu einem Bezirk mit den höchsten Anstiegsraten bei Mietzinsen von ganz Wien und führt auch hier zur sozialen Umschichtung und Neudefinition des Charakterbildes.-Ok, danke Walter. Aber jetzt zurück zum Brigittenauer Sporn. Was ist denn das genau?-Das ist eigentlich der nördlichste Teil von der Brigittenau. Es ist genau der Platz, wo sich die Donau vom Donaukanal trennt. Es ist ein Gebiet, das eigentlich ein bisschen nach Brache aussieht, also gar nicht so richtig bebaut, aber steht durchaus eben für die Geschichte der Brigittenau. Also wenn man sich dort ein bisschen aufhält und spazieren geht, es gibt dort ein sehr beeindruckendes Schleusenwerk, es gibt dort sehr viele Eisenbahnlinien. Brigittenau war immer stark durchzogen von Verkehrslinien, insbesondere von der Eisenbahn, eben von der Donauufereisenbahn, Franz-Josef-Bahn, es gibt ja auch diesen großen Frachtbahnhof, Kanäle, also nicht nur den Donaukanal und den großen Donaustrom daneben, sondern auch dazwischen gibt es noch Verbindungen, Straßen und Autobahnen, also es ist ein bisschen auch eingekeilt dieser Sporn zwischen diesen Hochautobahnen, diese Klosterneuburger Hochstraße, die Hochstraße Handelskai und die Nordbrücke.-Und der nördlichste Teil der Brigittenau, ein bisschen kenne ich ja die Gegend, ich meine, teilweise kommt es ein bisschen vor wie New York.-Ja, also von den Hochstraßen auf jeden Fall, also das ist nicht besonders einladend am ersten Blick, aber wenn man mal so drunter schaut unter diesen Hochstraßen, dann gibt es sehr viel Interessantes zu sehen. Der Sporn ist ja ein relativ langgezogener Bereich, also wie schon gesagt, da fängt eben an, eben bei dieser berühmten Schemerlbrücke, bei den Pylonen, den Löwenfiguren, geht dann Richtung Süden über in Bauhöfe eben diese Verkehrslinien, Schrebergärten und irgendwann fangen dann auch am Ende des Sporns auch diese Gemeindebauten an. Übrigens eine interessante Stätte auch, nämlich Robert Blum wurde dann 1848 nach der Niederschlagung der Revolution...-Robert Blum war ein 1848er Revolutionär?-Richtig, und der wurde dort wirklich am hintersten Winkel von Wien verbracht und wurde dann auch hingerichtet. Also es gibt auch dort eine kleine Gedenkstätte für Robert Blum, am südlichsten Teil vom Sporn. Interessant ist natürlich vor allem also die Geologie auch, also die Brigittenau war ja immer Schwemmland und war ja bis zur Donauregulierung ja eigentlich so ein unstetes Gebilde. Geologisch entsteht dieser Teil von Wien eigentlich während der Eiszeit. Also für die Freundinnen und Freunde der Geologie, die Eiszeit war ungefähr so 100.000 bis 12.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung und in dieser Periode lagert die Donau hier große Menge von Schotter ab, also insbesondere in der Nacheiszeit schneidet der Fluss die Donau eben sehr breite Terrassen in diese Ablagerungen hinein und dadurch entsteht eine sehr charakteristische Auenlandschaft.-Wie alt ist die Donau?-Die Donau ist schon sehr, sehr alt. -Alte Dame.-Eine sehr alte Dame. Man muss immer auch sagen, was ist so ein Fluss genau? Er verändert sich ja permanent, aber so dieses Donaubecken, das wir so kennen, kann man ungefähr zur Eiszeit zurückrechnen. Im Mittelalter ist das dementsprechend auch eine sich permanent ändernde Landmasse. Es gibt ja so eine größere Donauinsel, die wird ja auch im Volksmund auch Werd genannt, also als Insel. Die verändern sich auch immer wieder um die Inseln, weil sich eben die Donau auch immer wieder um diese Gräben und Bäche und Flüsse hineinschneidet. Und am Anfang war das ja nicht besiedelt, sondern war eher so ein Refugium für Fischer, Jäger und Holzfäller. Und im 11. Jahrhundert gehört dann das Land den Babenbergern. Das heißt also, das wird 1096 an das Stift Klosterneuburg verschenkt.-Ist auch nicht weit weg. Ist nicht. -Weit weg, ist eigentlich wirklich so auf Sichtweite. Und deswegen kann man auch sagen, ist das Stift Klosterneuburg ja nach wie vor noch einer der größten Grundstückbesitzerinnen im Bundesland. Das entscheidende Element. Was immer die Brigittenau ändert, ist einfach immer eigentlich das Hochwasser und die Donau. Also vor der Donauregulierung von 1870 bis 1875 gibt es immer wieder Überschwemmungen und die sind zum Teil katastrophal. Herauszuheben sind vor allem im 19. Jahrhundert zwei sehr große Katastrophen, nämlich 1830 und 1862. Und das waren besonders diese Eisstöße, die besonders gefährlich waren. Das muss man sich heute vorstellen. Und im heutigen Zeitalter des Klimawandels und der Klimakatastrophe, ist es ja heute schwer vorstellbar, dass die Donau ja sich eigentlich zueisen konnte. Und das hat sich sehr oft gemacht in der Vergangenheit. Und wenn sie einmal wirklich zugeeist war, dann hat das auch zu Überschwemmungen geführt. Weil das Wasser natürlich dann übergelaufen ist und hat sich seinen Weg dann gebahnt. Und es wurden dann ganze Siedlungen und Dörfer einfach weggerissen. Und wie schon gesagt, 1862 war der letzte große Eisstoß.-Und dann haben sie sich gedacht, regulieren wir lieber die Donau.-Genau, jetzt reicht es einmal. Jetzt müssen wir da wirklich einmal Schritte setzen. Also die Pläne gibt es ja schon sehr lange. Seit Ende des 18. Jahrhunderts, Beginn 1810, gibt es auch einen Plan vom Ingenieur Schemerl, auf den wir noch zu sprechen kommen werden.-Wegen der Brücke?-Wegen der Brücke. Aber so richtig, erst wird das mit 1870 in Angriff genommen.-Ist das ein Entstehungszeitpunkt für den Donaukanal?-Genau, so wie man ihn heute kennt. Der Donaukanal war vorher einer vieler Donauarme. Aber mit 1870 entsteht so der Donaukanal oder auch innere Donau. In der Form, in dem wir den Kanal jetzt kennen.-Also vorher war es glaube ich der Donauarm, der halt der inneren Stadt am nächsten lag? Ja.-Und man muss sich das halt auch mal überlegen, wie kann man, dieser Donauarm war ja nicht nur wegen Hochwasser gefährdet. Meistens war der auch total staubtrocken. Also er war immer gefährdet von Verlandung und von der Versandung. Manchmal gab es so Phasen, da war das nur 30, 40 Zentimeter Tief das Wasser. Man wollte hier wirklich einen Schritt setzen, dass man auch den Donaukanal schiffbar machen kann.-Wahrscheinlich aus geschäftlichen Gründen.-Richtig, also damals war es auch durchaus die Idee, dass die Flussschifffahrt so als Verkehrslinie eine wichtige Rolle spielen kann. Hat sie auch eine Zeit lang, bevor die Eisenbahn dann wirklich den Rang ihr abgelaufen hat. Aber bis 1870 denkt man sich, eigentlich kann man aus dem Donaukanal so einen Winterhafen machen. Und man kann eine Verkehrslinie machen. Und da möchte man eigentlich für die Schiffe einen repräsentativen Eingang finden. Und sagt dann, okay, wir bauen nicht nur eine Schleuse, sondern wir bauen auch dort ein Eingangsportal, das also die Gäste aus aller Herren Länder begrüßen soll.-Verstehe. Und damit hat man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, weil man sowohl sozusagen jetzt einen attraktiven Verkehrsweg erbaut hat, als auch irgendwie der ständigen Veränderung dieser Flusslandschaft Herr wird. Ja.-1870 beginnt es mit der Donauregulierung. Und 1870 entscheidet sich also die Kommission für ein Projekt von Wilhelm Engerth, nachdem auch die Engerthstraße benannt ist. Und der entwickelt so die Absperrung für den Donaukanal mit einem versenkbaren Schwimmtor, dem sogenannten Sperrschiff. Bevor es zum Einsatz kommt, wird es auf der Weltausstellung von 1873 ausgestellt. Nach Beendigung der Weltausstellung wird es eben zum Brigittenauersporn gebracht und dient dort als Sperre für den Donaukanal.-Also wie, das wird versenkt oder schwimmt halt oben auf?-Ja, das wird so an der Seite angelegt. Das muss man sich wirklich so wie an einem Schiff vorstellen. An der Seite angelegt. Und wenn eben Hochwasser kommt oder wenn der Eisstoß zu stark wird, wird das umgeschwenkt und zum Teil auch dann versenkt. Also Ballastwasser wird reingepumpt mit Dampfmaschinen. Und wenn das nicht mehr notwendig ist, dann pumpt man das Wasser wieder raus und legt das Schiff zur Seite.-Und da ist nichts links, rechts vorbeigegangen?-Teilweise ist was natürlich vorbeigegangen. Das war natürlich auch schon ein Sinn und Zweck, dass natürlich weiterhin der Donaukanal ja mit Wasser geflutet werden soll. Aber man konnte zum ersten Mal das gut regulieren und hat sich auch sehr bewährt. Das war natürlich eine ziemliche Ingenieursleistung. Man muss sich das schon mal vorstellen. Da kommt dieser gewaltige Donaustrom, also wenn man sich das am Sporn auch anschaut, also da biegt ja praktisch so dieser, die Donau ums Eck mit großer Geschwindigkeit. Klosterneuburg ist in Sicht. Und da musste man wirklich diese Fundamente für die Anlage sehr tief setzen. Also neun Meter unter null, also sehr tief reinsetzen, weil sonst hätte einfach das anströmende Donauwasser hätte die ganze Anlage weggespült. Man hat aber gesehen, dass dieses Sperrschiff nicht ausreicht und hat dann weitere Pläne gesetzt. Es ging also wirklich um dieses ganze Gebiet dort so wassersicher zu machen, dass man auch den Ausbau der Wehranlagen vorangetrieben hat. Also ab 1890 gibt es dann neue Pläne und es geht auch um Sicherung des umliegenden Gebietes. Also es entsteht auch die Idee der Galeriebahn, also der damaligen Stadtbahn, jetzt eigentlich der U4 und der U6, sollte vom Hochwasser gesichert sein. Das andere ist, man will natürlich die Schifffahrt vorantreiben und die absichern. Und das dritte ist auch noch, es entsteht auch der Sammelkanal und der ist aber rechtsufrig, der ist also auf der Seite von Döbling.-Also man schaut sozusagen immer in die Richtung, in die der Fluss fließt und das ist dann rechts und links?-Genau, und da ist es rechtsufrig. Und das war auch so eine erste Überlegung, auch die Abwässer der Stadt also wirklich gründlich zu entsorgen. Also nicht einfach alles wie früher in den Donaukanal hineinzuspülen. Und dann irgendwann austreten zu lassen unten in der Freudenau. Sondern über Spülung durch den Donaukanal sollte dieser Sammelkanal einfach die ganzen Abwässer der Stadt parallel abführen. Hat aber dann nicht funktioniert, weil die Donau etwas zu tief und der Donaukanal etwas zu tief liegt. Und deswegen hat man dann zum Abspülen der Abfälle Wasser von den Wiener Waldbächen genommen.-Okay. -Was aber spannend und interessant war natürlich, dass man diesmal nicht nur mit ökonomischen Überlegungen verbunden hat, sondern man wollte es auch ästhetisch aufziehen. Und damit wurde auch der Architekt des Fin de siecles von Wien auch engagiert.-Lass mich raten, Otto Wagner?-Richtig, Otto Wagner. Also Otto Wagner hat sich das Projekt wirklich mit großem Engagement angeeignet und hat sich da wirklich mit Herzblut da hineingestürzt. Es gibt angeblich 1500 Entwürfe zu dieser Anlage. Die sind aber leider bei dem Brand verloren gegangen. Aber er hat sich da wirklich sehr viel Gedanken gemacht. Wie kann das technisch funktionieren? Wie kann es aber auch ästhetisch gut aussehen? Und es sind dann mehrere Elemente dort jetzt da eingerichtet worden. Das eine Element ist natürlich diese Wehranlage. Man setzt eine Brücke drauf, die berühmte Schemerlbrücke. Nach dem Ingenieur Schemerl. Und die wird noch gekrönt mit zwei Pylonen, also so Steintürmchen, nennen wir es einmal so, und darauf sehr beeindruckende Löwen. Also das sind so Bronze Löwen. Und diese Bronze Löwen standen eigentlich symbolisch so ein bisschen da wie diese chinesischen Wachlöwen. In der chinesischen Mythologie, die auch den Kaiserpalast bewachen. Also auch hier nicht nur ein repräsentativer Eingang, sondern auch eine Funktion erfüllen soll, den Donaukanal und die Stadt Wien zu bewachen.-Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, rechte China-Euphorie in Europa.-Richtig. Also Ostasien, Japan, China spielen da ganz eine wichtige Rolle. Interessant ist, dass diese beiden Löwen dann auch herangezogen werden als Logo für eine der wichtigsten Automobilwerke der Doppelmonarchie, nämlich Gräf und Stift. Gibt es ja nach wie vor noch. Diese Anlage wird noch ergänzt durch ein sehr schönes Gebäude, sehr beeindruckendes, das auf der linksuferigen Seite sich befindet. Nämlich das Gebäude der Donauregulierungskommission, das Schützenhaus. Eine toskanische Loggia mit einem Dachaufsatz für Beobachtungen der Donau und ist nach wie vor noch in Betrieb oder wird in Verwendung gesetzt. Nämlich es ist dort die MA 45.-Schöner Arbeitsplatz.-Sehr schöner Arbeitsplatz. Ein bisschen abgelegen, aber wirklich viel besser kann man es für die MA 45, die ja für die Wiener Gewässer zuständig nicht aussuchen.-Alle Gewässer. Ja. Genau. Du, aber was mich noch interessiert hat, eine Schleuse für den Schiffsverkehr gibt es auch, oder?-Ja, genau. Dann kommt noch dazu, also neben dieser Wehranlage, um das Wasser zu regulieren, müssen ja die Schiffe auch irgendwie reinkommen. Und da wird parallel dazu auch noch eine kleine Schleusenanlage eingerichtet, die ist auch nach wie vor in Betrieb. Ja, und somit entsteht eigentlich so dieses Gesamtensemble dieses ganzen Brigittenauer Sporns.-Also eigentlich so Funktionsgebäude mit hohem ästhetischen Anspruch. Richtig. Otto-Wagner-Seit-Dank.-Genau. Und es war auch ein bisschen geplant, da so einen Uferpark einzurichten. Und das spürt man noch so in Ansätzen. Also wenn man dort spazieren geht, und das ist ja wirklich eine sehr tolle Gegend, man ist ja direkt am Donaustrom, dann war es schon so ein bisschen so wie in St. Petersburg beim Einlauf der Neva auch in die Ostsee, dass hier so praktisch auch hier so etwas Repräsentatives entstehen sollte. Die Leute sollen spazieren gehen, die Schiffe legen an. Man kann dort also aussteigen. Man kann schon den ersten Eindruck von dieser Kaiserstadt wahrnehmen.-Ja. Aber dann kam alles anders.-Die Anlage besteht seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wird aber natürlich durch kriegerische Aktionen beschädigt. Also 1945 wird die Schemerlbrücke durch die deutsche Armee zerstört. Also beim Rückzug wird die Brücke gesprengt. Sie wird ersetzt durch einen Holzsteg und wird dann erst im Zuge der 50er und 60er Jahre wieder in ihrer ganzen Pracht hergestellt. In den 60er Jahren kommt es immer zu weiteren Umbau- und Renovierungsarbeiten. Man weiß nicht so genau, was man eigentlich mit diesen Brigittenauer Sporn anfangen soll. Und dann gibt es auch die Idee. Zum Beispiel da, das ist ja eigentlich so ein fließender Strom dort. Man könnte dort eigentlich ein kleines Kraftwerk errichten. Und am Anfang waren die finanziellen Mittel nicht vorhanden. Also die Idee gibt es seit den 90er Jahren. Aber mit der Erhebung des Wasserspiegels 1992, mit dem Bau des Freudenauer Kraftwerks, steigt der Donaupegel um 4,5 Meter, was ziemlich gewaltig ist. Und da zahlt sie sich aus, einfach ein Kleinkraftwerk unter dieser Schemelbrücke einzurichten. Und zwischen 2004 und 2005 entsteht eben dieses Kleinkraftwerk immerhin mit einer Leistung mit 4,8 Megawatt. Also es wird betrieben von 12 Turbinen mit so 1,2 Meter Laufrad-Durchmesser, also für die technisch Interessierten. Und beliefert immerhin den Strom für 10.000 Wiener Haushalte.-Wow, dieses kleine Kraftwerk.-Ja, also das ist schon doch ziemlich effizient gebaut, also mit neuerster Technologie. Und wir haben ja dort eine ziemlich hohe Strömung. Diese hohe Strömung bringt natürlich auch ökologische Probleme mit sich. Und darum hat man sich auch überlegt, was macht man da eigentlich mit den Fischen. Also die Donau ist natürlich auch voll mit Fischen.-Nicht durch die Turbinen immerhin.-Nicht durch die Turbinen, das wäre nicht gut für die Fische. Aber so blöd sind die Fische auch nicht, dass sie da durchschwimmen würden. Aber sie müssen irgendwie durch, um dieses ökologische Gleichgewicht zu halten. Und da hat man auch eine Fischwanderhilfe gebaut. Die ist ungefähr 320 Meter lang, mit 37 Becken. Ausgestattet mit einer Lockströmung. Mir hat der Begriff so gut gefallen.-Das ist ein schöner Begriff.-Also kein Wurm vorlegen, sondern es ist eine attraktive Strömung. Und die Fische haben das offensichtlich sehr positiv aufgenommen, weil erste Tests haben ergeben, dass wirklich eine große Anzahl von Fischen einfach die Wanderung zwischen Donaukanal und Donau vornehmen. Also frage mich nicht genau, aber es gibt so die Nase, die Rotauge, die Güste. Also es sind lauter Fische, die man sonst nicht kennt, weil sonst glaubt man immer nur, es schwimmen Karpfen oder maximaler Wels drin. Aber es ist eine große Pluralität hinsichtlich des Fischvorkommens im Donaukanal.-Ja und dann ist natürlich noch mein Lieblingsthema, was alle Donauauen oder Donaubereiche betrifft, nämlich die Biber.-Der Biber ist ja immer und überall, kann man sagen, wo Wasser ist. Und da spielt Wien wirklich auch eine ganz entscheidende und wichtige Rolle. Der Biber fühlt sich in Wien sehr wohl. Gerade am Donaukanal gibt es da einige Biberkolonien und auch beim Sporn haben sich einige Biber festgesetzt. Also wirklich optimale Lebensverhältnisse für sie. Das Wasser ist recht sauber, sie haben recht viel Grünzeug zum Knabbern und sind zum Teil natürlich auch sehr ungestört, weil der Brigittenauer Sporn jetzt nicht gerade überlaufenes Gebiet ist.-Weißt du, wie Biber schmeckt?-Also ich habe mal gehört, dass man in China das durchaus isst. Es war auch im Mittelalter gang und gäbe, Biber zu essen.-Freitags, das ist ja ein Wassertier, darf man freitags essen, oder?-Ja, also das waren ja diese sehr abstrusen Regeln ein wenig während der Fastenzeit im Mittelalter. Aber ich habe keine Ahnung, es wird wahrscheinlich ziemlich fett sein und wahrscheinlich nach Wild schmecken. Also im Grunde ist es ja ein Nager.-Aber weil du gesagt hast, es ist nicht so viel los am Sporn, ich meine, ich glaube, sportlich tut sich einiges.-Genau, das tut sich da einiges, weil es haben sich aufgrund dieser Lage nahe bei der Donau dort einige Sportvereine angesiedelt, also vor allem so Kajak- und Rudervereine. Also die haben dort wirklich eine Idylle, sie können auf der Donau trainieren. Vor der Schleuse gibt es so ein kleines Kajak-Übungsgelände und das ist natürlich auch optimal, sich dort zu bewegen, auch mit großen Autos vorzufahren und die Boote auch dort abzulassen. Es gibt aber auch interessanterweise in der letzten Zeit auch Forschungsinstitutionen, die sich dort angesiedelt haben und zwar mit sehr großem Erfolg, insbesondere eben die BOKU.-Also die universität für Bodenkultur.-Ja, richtig. Und die hat dort das River Lab eingerichtet. Also die machen dort wirklich weltweit führende Forschung zum Thema Ökosystem Fluss, über Dynamik von Flüssen und es gibt ja diesen Höhenunterschied zwischen Donaukanal und Donau von ungefähr 3 Meter und das wird eigentlich mit so einem Kanal genützt und dort können sie dann wirklich so in real time und in sehr echten authentischen Bedingungen können sie dort Strömungen abtesten. Der ist ungefähr 100 Meter lang und ungefähr 25 Meter breit und schafft so ungefähr 10 Kubikmeter Wasser pro Sekunde.-Was ist das zirka in Badewannen?-Naja, es stimmt, in Badewannenmaß und ein übliches, ungefähr so 60 Badewannen pro Sekunde fließen da durch und da kann man schon recht viel ausprobieren. Also wirklich ein Modellversuch eins zu eins.-Also in real war das eine ziemlich erstaunliche Badewanne?-Eine ziemlich große Anzahl von Badewannen und das ist eigentlich wirklich eine beachtliche Forschungseinrichtung, die dort errichtet wurde. Es sind immerhin 90 bis 100 Beschäftigte dort und über 200 Studierende, mit Speziallabor, Bibliothek und das Ganze hat wirklich 49 Millionen Euro gekostet. Also nicht gerade billig.-Ich bin immer wieder fasziniert, was für tolle Orte diese Stadt zu bieten hat. Also solche, an die man vielleicht auch nicht im ersten Moment denkt. Was bringt die Zukunft für den Brigittenauer Sporn?-Also die Zukunft ist noch ein bisschen offen, weil es ist ja eigentlich eine ziemlich konsumfreie Zone. Es gibt immer wiederum Pläne, sie zu nützen für Events. Es gab sogar mal kurz die Idee, eine Begegnungszone einzurichten, vom Bezirk Brigittenau. Es war einen Sommer lang, aber Begegnungszone ist ganz gut, weil manchmal, vor allem bei schlechtem Wetter, sagen dort ja Fuchs und Hase gute Nacht. Also es ist ja wirklich zum Teil auch sehr einsam dort. Aber es war auch die Idee, mal da eine Surfwelle einzurichten, so ähnlich wie in München, beim Eiskanal. Dass man dort also neben den Kajak- und Rudervereinern so ein bisschen Wellen surfen kann. Hat sich aber alles irgendwie zerschlagen. Ich glaube nur, was noch passieren könnte, wäre natürlich wie schon gesagt, dass man das eben für Gastronomie, noch nützt. Aber dafür liegt es etwas zu abseits. Und das macht natürlich auch das Schöne, Charakteristische des Brigittenauer Sporns aus, dass es eigentlich ein sehr schönes Ambiente ist, mit dem Wagner-Gebäude und dem ganzen Donaustrom und dem Wasser. Aber eigentlich sehr viele Leute haben bis dahin noch nicht ihren Weg dahin gefunden.-Ja, da hoffen wir, dass wir das ändern können. Gibt es einen Lieblingsort für dich?-Ja, das ist eigentlich die aller nördlichste Spitze vom Sporn. Also dort, wo sich wirklich der Donaukanal von der Donau trennt. Und wenn man dann ganz vorne steht, frei zugänglich, hinter einem ist dann der Ruderverein, dann sieht man da wirklich, wie breit diese Donau ist. Und die schiebt sich da so von links oben nach rechts unten, so wirklich mit einem ziemlich starken Tempo, Strömung vorbei. Und da sieht man wirklich diese Mächtigkeit auch dieses Flusses.-Ich werfe die Schemerlbrücke mit dem wunderbaren Löwen in den Talon. Und ansonsten, bevor wir uns verabschieden, rufe ich euch noch dazu auf, abonniert den Podcast, erzählt eurem besten Freund oder eurer besten Freundin davon, schreibt uns eine Nachricht. Es verabschieden sich Andreas und Walter.-Als Tipps empfehlen wir diesmal zwei DVDs. Artkicks veröffentlichte 2016 eine Dokumentation mit dem Titel "Wien Brigittenau, die Geschichte des 20. Wiener Gemeindebezirks von den frühen Anfängen bis heute". Die DVD eröffnet einen breiten Bogen Brigittenauer Geschichte von den verheerenden Eisstößen bis zur signifikanten Skyline der Millennium City, liebevoll von den Bewohner*innen der Brie als die "Mille" bezeichnet. Wie die Brigittenau filmisch in den 1970er Jahren gezeichnet wurde, kann man in einer der ersten Kottan-Filme nachsehen. In der Folge Hartlgasse 16a, einem fiktiven Wohnhaus in der Brigittenau, treffen die Geschlechter und sozialen Gruppen im Zuge eines Mordfalls aufeinander. Nie wurde das im Titel angespielte Lied von Georg Danzer "Des kaun do no net ollas gwesen sei" besser gerahmt.