Grätzlgeschichten

14 | Theater in der Josefstadt

Stadt Wien Season 1 Episode 14

In dieser Folge der Grätzlgeschichten nehmen Andreas und Walter eines der traditionsreichsten Theater Wiens unter die Lupe: das Theater in der Josefstadt. Ursprünglich 1776 in einem Wirtshaus gegründet, entwickelte es sich von einer einfachen Vorstadtbühne für Boulevardstücke und Kasperletheater zu einer festen Größe der Wiener Kulturlandschaft.

Die Episode beleuchtet die wechselhafte Geschichte des Theaters, das stets im Spannungsfeld zwischen Unterhaltung und künstlerischem Anspruch stand. Wir erfahren, wie Reformen unter Kaiser Josef II. das Theaterschaffen veränderten, warum Publikumslieblinge wie Ferdinand Raimund und Johann Nestroy hier ihre Karrieren starteten und wie das Haus durch namhafte Persönlichkeiten wie Max Reinhardt oder Josef Jarno immer wieder neu ausgerichtet wurde.

Aber auch die dunklen Kapitel werden nicht ausgespart: Die Episode thematisiert die Zeit des Nationalsozialismus, die Vertreibung jüdischer Künstler*innen und die oft zögerliche Aufarbeitung dieser Vergangenheit. Schließlich führt die Reise in die Gegenwart, in der sich die Josefstadt zwischen bürgerlicher Tradition und zeitgenössischer Theaterkunst neu positioniert.

Mehr Wiener Geschichte findet ihr im Wien Geschichte Wiki. Andreas und Walter könnt ihr außerdem in der Geschichtsgreißlerei hören.

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Andreas Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Grätzlgeschichten. Es begrüßen euch Andreas und Walter. Walter, in welchen Bezirk gehen wir heute? Walter Heute gehen wir in die Josefstadt. Der achte Bezirk. Andreas Ah, wunderbar. Die Josefstadt. Da habe ich ja mal gewohnt. Also tatsächlich. Ich meine, es ist schon ewig her. Quasi im letzten Jahrhundert. Im Jahr 2000 bin ich von Baden in die Josefstadt gezogen. Und ich muss sagen, es hat ein bisschen geholfen, den Migrationsschock in die große Stadt abzudämpfen, bevor ich mich dann später in proletarischer Bezirke gewagt habe. Walter Das erklärt jetzt einiges. Die Josefstadt ist ja auch einer der bürgerlichsten Bezirke Wiens schlechthin. Er gilt eigentlich als DER bürgerliche Bezirk, also sehr bourgeois, sehr kunstbetont, ein geschlossenes Ensemble, sehr stark dominiert vom Barock und aus der Gründerzeit natürlich auch sehr viele Gebäude vorhanden, hat auch wenig Grünflächen. Andreas Ich muss sagen, mir hat es immer gut in der Josefstadt gefallen. Wohin genau geht es für uns? Was ist unser Ort? Walter Wir werden das Grätzl Piaristengasse, Jodok-Fink-Platz besuchen. Da ist das Theater Andreas In der Josefstadt. Walter In der Josefstadt, in der Nähe und natürlich aber auch die Pierristen Kirche. Andreas Wunderbar. Aber vorher lieber Walter. Zwei Minuten Heimatkunde. Walter Klein, aber oho! Das trifft auf die Josefstadt im sprichwörtlichen Sinne zu. Denn mit 108 Hektar Gesamtfläche ist der achte Wiener Gemeindebezirk der kleinste. Während der Bezirk heute zu den dichtbesiedelsten Stadtgebieten gehört, schlummert das Areal zwischen Alser- und Ottakringer Bach lange einen Dornröschenschlaf. Geologisch liegt das heutige Gebiet der Josefstadt auf einem Plateau zwischen diesen beiden Bächen, die über die Zeit tiefe Bette im Bereich Alser- und Lerchenfelder Straße gruben. Walter Diese Fläche ist nur bedingt für Landwirtschaft nutzbar, da die Böden nicht nur ertrags-, sondern auch wasserarm sind. Die einzige nennenswerte Ansiedlung war lange Zeit der Rote Hof, ein landwirtschaftlicher Betrieb, der bis ins 17. Jahrhundert von Wiesen, Wäldern und Weingärten umgeben war. Erst nach der zweiten osmanischen Belagerung von 1683 beginnt eine rasche Besiedelung des heutigen Bezirksareals. Der imperiale Optimismus des siegreichen Kaiserreichs veranlasst zahlreiche Adelige, ihre Palais in unmittelbarer Nähe zur Hofburg zu errichten. Walter Zeugnis dieser Bautätigkeiten stellen die nach wie vor vorhandenen Palais der Familie Strozzi, Schönborn, Auersberg und Damian dar. Förderlich gestaltet sich auch der Umstand, dass der größte Grundbesitz, das Schottenstift ist, welches sehr früh die Parzellierung der Böden für gewerbliche Nutzung zulässt. So können sich zahlreiche Gewerbetreibende, die für den Hof und den Adel produzieren, hier ansiedeln. Im Gegensatz zum benachbarten siebenten Bezirk entwickelt sich aber die Josefstadt eher zum bürgerlichen Wohnbezirk, in denen sich Beamte leistbaren und großzügigen Wohnraum schaffen können. Walter Und selbst die wohlhabenden Unternehmer*innen wohnen in der Josefstadt, lassen aber nach wie vor in der Inneren Stadt oder in Neubau produzieren. Dies ist auch der Grund, warum der achte Bezirk dann zum gutbürgerlichen Bezirk par excellence mutiert. Es wird dann in der ersten großen Eingemeindungswelle 1850 zuerst der siebte Bezirk in die Stadtverwaltung integriert. Erst mit der weiteren Änderung wird die Josefstadt 1861 zum achten Bezirk umbenannt. Walter Damit sich der neue Stadtteil aber richtig entfalten kann, müssen aber einige Hindernisse, meist militärische, beseitigt werden. So befinden sich mitten im Bezirk eine große Kavalleriekaserne im Bereich Schmierling Platz, eine Salpeterfabrik am Albertplatz und die Einengung im Westen durch den Linienwall und den Glacis auf der sogenannten Zweierlinie. Massive Proteste gegen die Kaserne, die immer für den Ausbruch von Bränden und Reibereien zwischen Militärs und ZivilistInnen sorgt. Walter Führen 1903 zur Demolierung dieses großen Areals und der Möglichkeit der weiteren Verdichtung. Das bürgerliche Ambiente sorgt auch für ein Klima kulturellen und wissenschaftlichen Schaffens. Die Josefstadt wird ein Zentrum der großen und kleinen Theater. Das Theater in der Josefstadt gehört nicht nur zu den prominentesten, sondern eins von vielen. Viele Literat*innen und Künstler zieht es in den Bezirk. Stefan Zweig, Milo Dor und Heimito von Doderer bilden da nur die Spitze des Eisbergs. Walter Zahlreiche Cafes, Gasthäuser und Galerien flankieren diese Trends und die Nähe zur Universität macht die Josefstadt für lange Zeit zum studentischen Quartier Latin von Wien. Einfluss übt auch das benachbarte Allgemeine Krankenhaus auf den Bezirk aus. So entsteht das unter Josef II gegründete Findelhaus auf der Alser Straße und wird zu einer der wichtigsten Wohlfahrtseinrichtungen der Stadt. Daneben entstehen zahlreiche Ambulatorien und Privatkliniken von ansässigen Ärzten. Walter Der Bezirk weist aber zwei Zwangseinrichtungen, auf die leider auch eine unrühmliche Vergangenheit aufweisen, nämlich die Gebäude des Landesgerichts eins und zwei im Gebäude des Landesgerichts eins, welches im Volksmund das Graue Haus genannt wurde, befand sich in Galgenhof. Während der Monarchie wurden dort Hinrichtungen vorgenommen und auch danach in Nationalsozialismus wurden hier über 1000 Widerstandskämpfer*innen hingerichtet. Heute steht die Josefstadt für großstädtisches, kulturell offenes und manchmal ein wenig versnobtes Publikum. Walter Dies macht aber gerade den Bezirk zu den attraktivsten und beliebtesten Wohnbezirken, denn immerhin gehört auch der östliche Teil zum UNESCO Weltkulturerbe Historisches Zentrum von Wien. Andreas Ja danke, Walter. Ja, ich würde sagen Heimspiel für mich ein bisschen. Das Theater in der Josefstadt, eines der drei großen Vorstadttheater der Neuzeit. Gemeinsam mit dem Theater in der Leopoldstadt und dem Theater auf der Wieden. Was gibt es denn zum Theater in der Josefstadt zu erzählen? Walter Na, wie du schon erwähnt hast, das gehörte zu den ältesten Theatern in Wien. Im Grunde eine Gründung in einem Wirtshaus 1776. Man muss es sich so vorstellen: Meistens waren ja die Theater für die Wirtshäuser da und nicht umgekehrt. Also sollte eigentlich zusätzliches Publikum angelockt werden. Das Wirtshaus hieß damals "Zum Bauernfeld" in der Lerchenfelder Straße, und da wurde praktisch so das erste Theater, das sich mehr so Boulevardstücken und Possen und einem Kasperletheater gewidmet hat, gegründet. Walter Die Voraussetzung, dass sich diese Theaterszene entwickelt hat mit unter anderem dem Theater in der Josefstadt, war, die Pleite des Hoftheaters im 18. Jahrhundert. Also die haben ja praktisch das Kärntnertor Theater und das Burgtheater verwaltet. Und da war so kurz einmal eine Lücke da, dass andere Theatermacher auch die Chance hatten, sich gegen dieses Monopol durchzusetzen. Auch ganz wichtig waren, wie immer so oft für die Stadtentwicklung. Walter Reformen unter Josef dem Zweiten, der 1776 auch die sogenannte Spektakelfreiheit eingeführt hat. Das hieß, man konnte endlich mal Theater gründen, ohne dabei amtlich oder behördlich große Wege machen zu müssen. Am Anfang lief es aber nicht so gut, weil das war einfach wirklich so ein schlechtes Postentheater, es wurde halt wirklich schlecht Theater auch gespielt und später hat sich der Fürst Auersperg, der benachbart ja auch wohnt, in seinem Palais, hat sich des Theaters angenommen, hat es integriert und es zum Privattheater für adelige Vorführungen gemacht, und 1788 wurde es dann wirklich so neu gegründet, und es war wirklich dann die wirkliche Geburtsstunde der Josefstadt, also ein richtiges Vorstadttheater eben neben dem Theater der Leopoldstadt. Walter Auch das Theater auf der Wieden. Andreas Ja, und der erste Direktor, das war der Karl Mayer, oder? Walter Ja, er war ein legendärer Volksschauspieler und auch gleichzeitig auch Impresario und Direktor und hat sich dieses Theaters angenommen. Ein Grund war, der war auch bekannt, natürlich für seine Kasperle-Darstellung. Der Kasperl hat ja damals eine sehr wichtige Rolle gespielt, so immer auch bisschen Kritik an den herrschenden Verhältnissen. Es gab keine öffentlichen Gelder, das hieß also, Quantität ging vor Qualität. Walter Also man verzieh ja diesen Leuten ja eher schlechtes Theater als schlechtes Essen, weil es halt immer verbunden war natürlich mit einem Trink- und Essgelage und das Publikum kam ja eher aus den Vorstädten, auch nicht nur aufgrund dieser Stücke, die da aufgeführt wurden, sondern auch einfach die Stadttore schlossen bei Dunkelheit, man konnte einfach nicht die Josefstadt wieder während Dunkelheit verlassen. Andreas Genau. Also man muss vielleicht dazu sagen, damals war die Stadt quasi der erste Bezirk von heute und so was wie die Josefstadt, war halt eben Vorstadt. Also das war nicht Teil der Stadt Wien. Walter Also da hat man eben sehr lange eben sehr alberne Stücke aufgeführt. Also im Gegensatz zu diesem damals entstehenden Nationaltheater. Das waren so Schulen der guten Sitten und moralische Anstalten. Wobei man sagen muss so Beginn des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel 1814, hat sich schon ein sehr bekannter Autor, dort schauspielerisch seine ersten Sporen verdient, nämlich Ferdinand Raimund, also der hat eigentlich als Schauspieler begonnen und später erst dann die Stücke hier geschrieben. Andreas Da kommen wir wahrscheinlich noch dazu, aber eben also eigentlich alle diese bekannten Namen Raimund, Nestroy, Grillparzer, die sind alle in gewisser Weise mit dem Theater in der Josefstadt verbunden. Walter Richtig. Also es war für sie wirklich so eine Möglichkeit, ein Platz, auch was Neues auszuexperimentieren und natürlich auch lernt, sich dort selbst in persona aufzutreten. Andreas Genau. Also zuerst waren Sie eigentlich Schauspieler und dann haben Sie aber auch in ihren eigenen Stücken gespielt. Aber auch andere berühmte Namen sind ja mit dem Theater in der Josefstadt verbunden. Walter Ja, später, also das Theater der Josefstadt hat eben so eine Auf- und Abbewegung, einmal läufts gut, dann geht es schlecht, Die Direktoren wechseln, das Ensemble wechselt. Und 1822 merkt man einfach, das Theater ist zu klein. Es gibt ja doch ein sehr großes Publikumsecho. Es wird das Haus abgerissen und wird praktisch an dem jetztigen Ort wieder errichtet. Und da kann man zum ersten Mal so wirklich sehr prominente Namen auch einbringen. Walter Beethoven schreibt eine Ouvertüre zur Eröffnung. Es gibt berühmte Komponisten und Dirigenten, die dort auftreten und inszenieren. Wagner zum Beispiel ist einer von denen, wie du schon erwähnt hast Raimund, Nestroy, die zunehmend auch an Popularität gewinnen, können dort ihre Stücke aufführen. Es bleibt aber trotzdem ein bisschen so ein Theater, auch für seichte, sehr publikumsnahe Unterhaltung. So Travestien, Zauberspiele. Walter Also man versucht natürlich immer natürlich auch Geld zu lukrieren, weil es gab aber auch keine öffentliche Förderungen. Andreas Und was gehört da noch so dazu? Walter Ja, also neben diesen Komödien natürlich auch Sachen, die nicht so gut waren wie zum Beispiel Menschenschauen wurden dort inszeniert. Also Menschen aus Afrika oder aus China wurden dort ausgestellt. um so ein exotisches Ambiente zu schaffen. Brachte aber auch nicht den großen wirtschaftlichen, finanziellen Erfolg. Nach wie vor, die Besitzer wechseln sehr oft und es konnte also eigentlich keine Kontinuität entwickelt werden. Walter So wirklich als prestigeträchtiges Theater entsteht die Josefstadt erst mit der Übernahme durch Josef Jarno. Er übernimmt 1899 eben das Theater auch ein Schauspieler, aber auch ein sehr fähiger Direktor. Der versucht, zum ersten Mal so ernsthaftere und seriösere Stücke auf die Bühne zu bringen. Vor allem Strindberg. Wedekind. Ja und kann damit ein neues Publikum auch für die Josefstadt gewinnen. Andreas Und dieses Publikum hält sich auch durch die Wirren der Zwischenkriegszeit zum Beispiel? Walter Ja interessanterweise kann sich da eine bestimmte Schicht dann etablieren. Und Abonnentenpublikum entsteht dann auch zum ersten Mal mit dem Ersten Weltkrieg. Natürlich kommt auch das Josefstadt Theater in die Bredouille. Die wirtschaftlichen Probleme nach dem Ersten Weltkrieg sind ja virulent und das trifft natürlich auch die Kultur- und Kunstszene. Und Beginn der 20er Jahre taucht eine neue ominöse Finanzfigur auf, nämlich 1923 der Camillo Castiglioni. Walter Das war also ein Kriegsgewinnler, Spekulant der Lieblingshassgegner von Karl Kraus. Also wirklich, ein Mensch also, man könnte heute sagen New Money. Keine guten Sitten, großes, prächtiges Auftreten logiert grundsätzlich in der Kaiserloge, kommt immer zu spät. Seine Anhänger applaudieren ostentativ, wenn er die Bühne betritt. Also wirklich so eine Selbstinszenierung, wie man es heute vielleicht nur von Tech-Milliardären auch kennt. Andreas Um Gottes Willen. Walter Ja und muss man auch sagen, er war eigentlich einer der ersten, der versucht hat, dieses ganze Geld, das natürlich sehr schmutzig war, nämlich weil es eben durch Kriegsgewinne und durch Waffenverkäufe erwirtschaftet wurde, weiß zu waschen durch Kulturförderung. Und hat sich dann auch eben Max Reinhardt... Andreas Klingt wie ein Immobilientycoon. Walter Ja, also es war wirklich eine sehr unsympathische Figur, je mehr man von ihm liest, umso unsympathischer wird er. 1926/27 gerät aber auch selbst in die wirtschaftliche Bedrouille. Weil auch selbst Spekulanten verspekulieren sich natürlich. Es gibt immer einen, der noch besser spekulieren kann. Aber er schafft es, dieses Theater völlig neu aufzuwerten, da wird sehr viel Geld investiert. Und es wird so praktisch in einer Art Rokoko Stil wieder errichtet und eingerichtet. Walter Sehr viel mit Rot, mit Gold, mit sehr viel Spiegel. Und da spielt natürlich eine andere künstlerische Person eine sehr wichtige Rolle, nämlich Max Reinhardt. Andreas Max Reinhardt, auch ein wichtiger Name, der mit dem Theater in der Josefstadt verbunden ist. Ein großer Regisseur und bis heute wichtiger Name, natürlich auch mit den Salzburger Festspielen verbunden. Walter Ja, auch er ist eine schillernde Persönlichkeit. Also setzt das Theater neu auf, versucht es seriös auszurichten, aber hat natürlich immer so diesen Rokokobezug. Es ist nicht unbedingt das allerneueste Theater, also nicht das eines Theaters, eines Piscators in Berlin oder wirklich avantgardistische Vorstellungen, sondern da wird schon sehr ein romantisches Habsburgerbild rekonstruiert. Und wie schon gesagt, vor allem, dass dieses Goldene Zeitalter im 18. Jahrhundert wird versucht, in den Theater auch in der Einrichtung wiederzubeleben. Andreas Jetzt ist das Problem mit Max Reinhardt wahrscheinlich. Der war ja relativ viel unterwegs in der Weltgeschichte. Walter Ja also pendelte immer zwischen Berlin und Wien. Und im Grund hat er sich dann aber schon langsam auch seinen Ausstieg überhaupt überlegt und ist dann später auch in den USA gegangen, hat auch dort wirklich reüssiert und war einer der bekanntesten europäischen Theaterregisseure, dann auch in den USA. Hat auch so wichtige Leute wie Otto Preminger gefördert, der auch dann später in den USA reüssierte mit ganz wichtigen Kinofilmen, einer der wichtigsten 50er, 60er Regisseure in Hollywood. Andreas Genau. Und den hat er als Subdirektor eingesetzt in der Josefstadt. Walter So ein bisschen eine kleine Kaderschmiede. Und schon so ein Hort, wo man professionelles Theater in Verbindung mit kommerziellen Erfolgen auch versucht hat zu entwickeln. Während des Zweiten Weltkriegs gibt es so eine Mindestmaß an Kontinuität auch in dieser Max Reinhardt Tradition dieses Theaters, auch durch Heinz Hilpert natürlich auch mit den dementsprechenden Auswirkungen natürlich auf jüdische Schauspieler*innen, Angestellte in dem Theater, die ja das Theater verlassen mussten. Walter Und er engagiert auch so berühmte Persönlichkeiten der Nachkriegszeit im Schauspieltheater wie Attila Hörbiger und Paula Wessely, die natürlich auch ein sehr undurchsichtiges Verhältnis zum Nationalsozialismus hatten, die auch danach sich auch rechtfertigen mussten, aber in der Zeit natürlich der Restaurierung und der Wiederbelebung der österreichischen Kultur nach 45 eine sehr wichtige Rolle gespielt haben. Andreas Dazu muss ich vielleicht sagen, dass das Theater in der Josefstadt ja auch eine Filmproduktion unterhalten hat, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Und da ist ja der bekannteste Film wahrscheinlich, der da rausgekommen ist "Das andere Leben", wo ja genau diese Schauspieler und Schauspielerinnen ja zum Teil aufarbeiten und ein bisschen reinwaschen in der Story selbst. Walter Also die Josefstadt ist so natürlich auch eine Institution, die ihre Geschichte nicht so wirklich aufarbeitet nach dem Krieg, also wie viele andere Institutionen natürlich auch. Aber ab den 90er Jahren hat es, muss man auch gerechterweise sagen, hat sich die Josefstadt sich sehr wohl bemüht um die Aufarbeitung dieser Geschichte und hat dann auch eine andere Theaterpolitik eingeschlagen. Trotzdem bleibt 50er, 60er Jahre das Theater so als Garant für sehr traditionelles bürgerliches Theater, oft mit sehr viel seichten Aufführungen, mit Komödie und gerät auch zunehmend den Einfluss natürlich auch konservativer Kreise, wie zum Beispiel von Torberg, Weigel, zwei Autoren, die sich sehr engagieren im Kampf gegen fortschrittliche Literatur. Andreas Ich mein, da muss man vielleicht einen Brecht Boykott kurz einbringen. Also so am Höhepunkt des Kalten Krieges in den 50er, 60er Jahren waren das ja mit die prononciertesten Vertreter des Flügels, der gesagt hat, also Bert Brecht, den kann man in Österreich nicht aufführen, das ist ein Propagandist des Kommunismus, und die das auch wirklich, also mit sehr deftigen Worten auch durchgekämpft haben, für eine Zeit lang durchgesetzt haben. Später hat sich dann natürlich die Literatur gegen den kleinen Kreis durchgesetzt. Walter Auch hier. Die Josefstadt hat dann auch natürlich diese Verhandlungen durchgemacht, bleibt aber von den praktisch von den 60er bis in den 90er Jahren doch so ein Hort bürgerlicher Unterhaltung, also der ehemalige Direktor Stoß, ist natürlich auch so viel eher ein konservativer Direktor. Der spielt nicht zu Unrecht in der "Lieben Familie" den Sektionschef, er verwaltet auch die Josefstadt ein bissichen wie ein Sektionschef. Walter Also er ist jetzt ja künstlerisch in der Ausrichtung konservativ, auf der anderen Seite ökonomisch wirtschaftlich sehr erfolgreich, also das Abonnentenpublikum mitgefördert. Also es gibt so eine solide wirtschaftliche Basis für die Josefstadt, das muss man auch ihm in Rechnung stellen in dieser Entwicklung. Ab den 90er Jahren öffnet sich dann die Josefstadt auch für neue Bühnen und für neue Stücke und insbesonders natürlich auch mit der Übernahme des Rabenhofs 1990. Walter Ja, aber das Theater im Rabenhof zeigt man auch, man kann auch andere Stücke aufführen, man kann sich auch kritisch mit gegenwärtigen Entwicklungen auseinandersetzen. Und das ist eigentlich so eine doppelte Strategie. Die die Josefstadt auch fährt. Also auf der einen Seite nach wie vor noch dieser Nimbus bürgerlicher freundlicher Unterhaltung und auf der einen Seite sehr wohl natürlich auch kritische Stellungnahmen zu gegenwärtigen politischen Entwicklungen einzubringen. Andreas Ja, jetzt haben wir glaube ich, viel über die holde Kunst gesprochen. Aber was passiert, wenn die Theateraufführung zu Ende ist? Walter Ja die Josefstadt ist ja auch bekannt für seine Cafes und Restaurants und einer der schönsten Plätze, wo sehr viele gute Lokale auch gibt, ist der Jodok-Fink-Platz. Der ist also vor der Piaristen Kirche. Also lange Zeit hieß die überhaupt nicht so, sondern war immer nur der Piaristen Platz. Ja, und die Piaristen sind natürlich auch eine ganz wichtige Einrichtung. Walter Für den achten Bezirken steht auch für diesen achten Bezirk in einem bestimmten Sinn. Ja. Piaristen waren bekannt dafür, dass sie eigentlich Schulen gegründet haben. Andreas Ein Schulorden quasi. Walter Ein richtiger Schulorden, aber ein Schulorden, der sich vor allem verpflichtet hat, armen Schülerinnen und Schülern Bildung zukommen zu lassen. Eine Gründung im 17. Jahrhundert. Und es war immer schon der Versuch eben da, jungen Menschen, die keine Chance hatten, so wirklich sich eine Ausbildung zu leisten einer Ausbildung zuzuführen. Natürlich stark mit religiösem Charakter und darum wurde auch dort ein Kloster auch gegründet. Walter Die Piaristen Kirche, also einer der wichtigsten Barockbauten. Auch nebenbei. Andreas Ein schönes barockes Ensemble. Dieser ganze Platz. Walter Also eigentlich das perfekte barocke Ensemble, das einzige noch bestehende unangetastet Barockensemble in Wien. Ja, und da gab es auch die Einrichtung von zwei Schulen, nämlich eines eine Volksschule, eines ein Gymnasium. Und es war immer so ausgerichtet, dass es eigentlich für arme Schülerinnen und Schüler eingerichtet werden soll. 1701 gibt es eine Volksschule mit drei deutsch und zwei lateinischen Schulen. Walter Und das muss man sich auch noch vorstellen, also in diesen fünf Räumen wurden damals aber 453 Schüler unterrichtet. Hinsichtlich Klassen-, Lehrer- und Schülerverhältnisse also weit weg von heutigen Standards. Andreas Und so selbst die heutigen wären verbesserungswürdig. Walter Richtig. Aber wie schon gesagt, damals war es wirklich noch ganz schlimm. Aber immerhin war das schon auch in ein Fortschritt. Andreas Jetzt ist es ja so, dass aber mit der Zeit glaube ich diese Piaristenschulen, das waren dann keine privaten konfessionellen Schulen mehr, sondern die sind ja natürlich jetzt ins öffentliche Eigentum übergegangen. Walter Ja, also 1870 wurde dann praktisch das der Stadt überantwortet, als Schule weil die Piaristen es nicht mehr leisten konnten, die Schule zu finanzieren. Also das war auch in den Ordensregeln drin, die durften sich selbst kein Geld erwirtschaften, sondern sie lebten hier von Spenden oder von Schenkungen. Und da hat dann irgendwann einmal für den modernen Schulbetrieb nicht mehr gereicht. Walter Ab 1870 ist es ein öffentliches Gymnasium bzw auch eine Volksschule und ist es bis heute. Ob es wirklich noch so der Fall ist, dass da nur arme Kinder oder Kinder aus armen Haushalten dort Eingang finden, ist doch eher wahrscheinlich kritisch zu betrachten, weil natürlich im achte Bezirk die Einbettung doch eher so ist, dass da eher wohlhabende Gruppen. Andreas Zumindest hätten sie jetzt einen weiten Schulweg. Walter Ja, also von dem aber als Einrichtung für Volksbildung, für eine Verbreitung von Kultur, für breite Massen hat die Piaristenschule und das Kloster auch eine wichtige Rolle im achte Bezirk gespielt, ähnlich wie die Josefstadt. Also man hat sich dann schon immer natürlich auch orientiert an Leuten, denen zum Beispiel der Zugang zu Kultur oder zur Bildung nicht so leicht möglich war und versucht ist, basal anzusetzen. Andreas Die aber kommen noch mal zurück zu diesem Pflatz, vor allem zu dieser wunderschönen Kirche. Also wenn man da irgendwie bei einem guten Italiener sitzt, dann kommt's mir ein bisschen vor, man sitzt mitten in Rom, also total zum Verwechseln. Walter Es orientiert sich auch ganz klassisch architektonisch am italienischen Barock, also man hat das Gefühl auch die Sonneneinstrahlung zeigt Wirkung. Es ist ein sehr offener Platz und Musik spielt auch eine wichtige Rolle. Also Barock ist natürlich immer stark verbunden mit Orgelmusik und mit konzertanten Aufführungen. Und in dieser Kirche steht eine der wichtigsten Orgeln auf der Stadt, nämlich die Buckoworgel. Walter Also Buckow war ein Orgelbauer im 19. Jahrhundert. Der hat auch für die Hofkapelle eine Orgel gebaut und eine der besten Orgeln in der ganzen Stadt, findet sich in der Piaristenkirche. Und es lohnt sich auch wirklich einmal diese Kirche zu besuchen und der Orgel einmal zuzuhören. Andreas Irgendeine bekannter Name, der mit dieser Orgel verbunden ist? Walter Also Bruckner hat dort seine Prüfung abgelegt. Viele andere berühmte Komponisten und Orgelspieler haben dort auch gelernt und haben dort wirklich tolle Konzerte aufgeführt, die nach wie vor noch sehr bekannt sind. Die Buckoworgel ist eine der wichtigsten Orgeln in der Stadt und dementsprechend wird sie auch gerne bespielt für hochwertige Orgelkonzerte. Andreas Das heißt, du würdest vorschlagen, dort vielleicht ein Orgelkonzert zu besuchen und sich im Anschluss in den Gasgarten zu setzen und sich quasi quer zum Straßenverkehr seine Pizza bringen zu lassen. Walter Also eines der Merkmale dieses Platzes ist, dass dort die Kellner über die Straße immer laufen müssen, um die Gäste in diesem Garten, der sich am Hof befindet, auch zu bedienen. Also ist es nicht ganz ungefährlich. Man muss da immer aufpassen, wie man als Autofahrer durchfährt, dass man da keinen Kellner mit der Pizza niederfährt? Andreas Ja, deswegen langsam und vorausschauend fahren, damit haben wir eigentlich meinen Lieblingsplatz schon abgehakt. Gibt es bei dir noch einen Ort, den du nennen möchtest? Walter Ja, ich will aber auch wirklich sagen drin in der Piaristenkirche ist natürlich eine sehr beeindruckende Barockkirche. Und die Buckoworgel ist natürlich sehr beeindruckend und auch wirklich erzeugt wahnsinnig tollen Sound. Andreas Ja, wunderbar. Dann hätte ich gesagt, Wenn ihr noch Anregungen an uns habt, dann schreibt uns doch unter podcast@ma53.wien.gv.at Ansonsten likt den Podcast und empfehlt uns weiter. Es verabschieden sich Andreas und Walter. Walter"Die Josefstadt, die Beletage von Wien" so nennt Fritz Panzer den achten Bezirk in seinem gleichlautenden Buch. In diesem werden den Leser*innen mehrere Bezirke durch die Josefstadt vorgeschlagen. Schwerpunkt liegt vor allem auf den Biografien berühmter Bewohner*innen des Bezirks. Man trifft dabei auf Bundespräsidenten, berühmte Schauspieler*innen und unsympathische Ausbeuter, somit ein schönes Kaleidoskop bürgerlicher Lebenswelten. Robert Staller hat eine voluminöse zweibändige Geschichte des Theaters in der Josefstadt herausgebracht. Walter Die beiden Prachtbände weisen deutlich die Handschrift eines Kunsthistorikers auf. Zahlreiche Pläne, Stiche und Fotos machen diese Arbeit zu einem unbedingten Muss für alle Theaterfreund*innen und Fans des Theaters in der Josefstadt. Erschienen bisher Hiermer 2021. Triggerwarnung der Grätzlgeschichte Redaktion. Die beiden Bände bringen gut fünf Kilogramm mehr ins Bücherregal. Will man dem italienischen Flair des Platzes genießen, empfehlen wir das sommerliche Freiluftkino am Piaristen Platz. Walter Man kann sagen Cinema Paradiso in seiner Reinform. Eine sentimental Journey bietet auf jeden Fall die Edition Josefstadt, herausgegeben vom ORF. In dieser DVD Reihe findet man klassische Aufführungen aus der Josefstadt mit dem damaligen Publikumslieblingen Maxi und Alfred Böhm oder Elfriede Ott und Sissi Kramer. Man kann Stücke wie Der Göttergatte oder Pension Schöller mögen oder nicht, Aber wenn schon, dann schon bitte schon aus der Josefstadt.

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