
Grätzlgeschichten
Im neuen Geschichte-Podcast der Stadt Wien erzählen die Zeithistoriker und Geschichtsgreisslerei-Podcaster Andreas Filipovic und Walter Szevera "Grätzlgeschichten" aus der Wiener Historie. Erzählt wird die Bezirks-Geschichte anhand eines zentralen Ortes in den 23 Bezirken – dort wo sich wichtige Ereignisse für die politische oder gesellschaftliche Entwicklung unserer Stadt abgespielt haben.
Grätzlgeschichten
15 | Auf der Baumgartner Höhe in Penzing
Penzing ist einer der grünsten Bezirke Wiens und blickt auf eine spannende Geschichte zurück. Ursprünglich Teil des 13. Bezirks, wurde er 1938 eigenständig und profitierte wirtschaftlich von der Nähe zu Schloss Schönbrunn. Doch besonders ein Bauwerk prägt die Identität des Bezirks: die Otto-Wagner-Kirche auf der Baumgartner Höhe.
In dieser Episode der Grätzlgeschichten begeben wir uns auf die Baumgartner Höhe und werfen einen Blick auf die Geschichte der ehemaligen Landesheil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke, heute Klinik Penzing. Die Ende des 19. Jahrhunderts als moderne psychiatrische Einrichtung geplante Anstalt war Schauplatz bedeutender Entwicklungen – aber auch dunkler Kapitel der Geschichte. Besonders während der NS-Zeit wurden hier grausame Verbrechen begangen. Wir sprechen über den Wandel der Klinik, die bewegte Vergangenheit der Steinhofgründe und ihre heutige Nutzung als Naherholungsgebiet.
Hört rein und entdeckt mit uns die wechselvolle Geschichte dieses besonderen Ortes! Habt ihr Feedback ? Schreibt uns an podcast(at)ma53.wien.gv.at oder folgt uns für mehr spannende Wiener Stadtgeschichten.
Mehr Wiener Geschichte findet ihr im Wien Geschichte Wiki. Andreas und Walter könnt ihr außerdem in der Geschichtsgreißlerei hören.
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Andreas Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Grätzlgeschichten. Es begrüßen euch Andreas und Walter. Walter, wohin geht's heute? Walter Heute geht es nach Penzing, der 14. Bezirk. Ein Bezirk, der ganz im Westen von Wien liegt. Ein sehr grüner Bezirk, der ganz tief in den Wienerwald hineinragt, sehr viel an Siedlungsbau aufweist, zum Teil auch sehr dörfliche Strukturen, nach wie vor: Aber auch so an der Weststrecke von der Westbahn und auf der Autobahn auch liegt. Andreas Und welches Grätzl nehmen wir uns vor? Walter Den Gallitzinberg. Also den Hang und damit einen besonderen Schwerpunkt auf die Baumgartner Höhe, das heißt auf die Steinhofgründe und auf das Klinikum Penzing. Andreas Wunderbar. Vorher aber noch zwei Minuten Heimatkunde. Walter Sollte man Bezirken eine Farbe zuordnen, so könnte man im Falle von Penzing aus gutem Grund Grün wählen. Der Bezirk weist den zweithöchsten Anteil an Grünflächen aller Wiener Bezirke auf. Nur Hietzing hat einen höheren Wert. Mehr als 3/4 der Gesamtfläche ist von Wald bedeckt. Dazu kommen noch 10 % Wiesen und 6 % Kleingärten dazu. Daher findet sich auch aus gutem Grund ein Nadelbaum im Bezirkswappen. Walter Ebenfalls grün ist das Alter des Bezirks, denn dieser war bis 1938 Teil des 13 Bezirks. Erst unter der Neuordnung der Bezirksgrenzen unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtübernahme entstand Penzing als autonomer Bezirk. Dabei wurden die Gebiete Hadersdorf-Weidlingau, Hütteldorf, Baumgarten, Breitensee und Penzing zusammengefasst. Wirtschaftlich profitiert Penzing ab dem 18. Jahrhundert durch die unmittelbare Nähe zum Schloss Schönbrunn, da lokale Wirtschaftsbetriebe mitunter für die Versorgung der kaiserlichen Sommerresidenz produzieren. Walter Für kurze Zeit siedelt sich auch für die Industrialisierung Wiens so wichtige Seidenproduktion in Penzing an und kann daher dabei die im benachbarten Braunhirschen gesetzten Maulbeerbaum-Plantagen, die Nahrungsquelle der Seidenraupen nützen. Penzing bleibt bis zum Vormärz 1848 eine beliebte Destination als Sommerfrische für die Wiener Bürger*innen. Denn gerade Hadersdorf-Weidlingau bietet sich mit seinen bis zu 500 Meter hohen Bergen und dichten Mischwäldern im Zeitalter der inneren Einkehr des Biedermeier als Sehnsuchtsort eines Bürgertums an, das die beschauliche Nähe zur Natur sucht und dabei sich von den rasanten Veränderungen in Politik, Technik und Wirtschaft abwendet. Walter Penzinger als grüner Vorort gilt ab dem zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch verkehrstechnisch erschlossen. Der Bau der Kaiserin-Elisabeth-Bahn, der heutigen Westbahn, der Stadtbahn und der Vororte-Linie ermöglicht auch jenen, die sich keine Kutsche leisten können, Ausflüge in den Wienerwald zu machen. Man bleibt aber selbst vor Ort dörflich. Stationen wie Penzing oder Hadersdorf weisen eine ähnliche Bahnhofsarchitektur, auf die auch in den Bahnhöfen am Semmering zu finden sind. Walter Und die 1901 elektrifizierten Straßenbahnen schaffen zusätzliche Möglichkeiten, aus und in die Stadt zu kommen. Das Grün des Bezirks lässt auch einen der damals modernsten und größten europäischen Krankenhauskomplexe Europas entstehen, nämlich der niederösterreichischen Landesheil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke. So zumindest der damalige Titel. Hier sollen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen nach damalig modernem Stand der Wissenschaft behandelt werden. Walter Später kommt noch eine Lungenheilstätte dazu. Otto Wagner, der Architekt des Wiener Fin de siècle, entwirft dort eine seiner berühmtesten Kirchen und gibt den Krankenpavillons einen stilistischen Charakter. Drei Jahrzehnte später wird dieses Spital aber ein Ort des Schreckens, in dem Hunderte Kinder während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft bestialisch ermordet werden. Ganz kann sich aber das beschauliche Penzing der Modernisierung nicht entziehen. So befindet sich eines der größten Technik- und Industriemuseen Europas dort. Am Ende der Monarchie geplant, soll das Repräsentationsort für die technische und innovative Kraft des Imperiums dienen. Walter Der Krieg und seine Niederlage verhindern jedoch die Umsetzung der ursprünglichen Pläne. Denn das Museum ist eigentlich dreimal größer geplant als im heutigen Zustand. Und zum Schluss nochmals die Farbe Grün. Wenn Westwind herrscht, kann man über eine weite Strecke die Fangesänge und Jubelschreie der Fans des Fußballvereins Rapid Wien hören. In Hütteldorf steht nämlich das Stadion dieses Wiener Traditionsvereins und macht ihn zum Hexenkessel für die Freund*innen des Ballsports. Walter Ob deswegen auch die U4, mit der das Gros der Rapidfans zum Hütteldorfer Stadion gelangt, auch als Leitfarbe Grün erhalten hat, ist schwer nachweisbar, aber durchaus im Bereich des Möglichen. Andreas Danke Walter. Ja, Baumgartner Höhe. Ich denke da natürlich auch sofort an die Otto-Wagner-Kirche. Die ist ja relativ präsent, dann auch von allen möglichen Orten in Wien zu sehen. Walter Ja, sehr dominant liegt eben an diesem Westhang dieses Wienerwaldberges. Aber insgesamt ist es ja eingebettet. Das Ganze ja sauber in ein sehr großzügiges Setting. Also es gibt da Pavillons, es gibt Theater, es gibt eine große Ummauerung um diese Steinhofgründe. Andreas Vor allem aber auch viel Wald. Also man kann da ja auch wunderbar spazieren gehen. Meines Wissens nach kann man, wenn man Glück hat, sogar auch das eine oder andere Reh erblicken. Walter Ja, also wie gesagt, es liegt schon ziemlich am Rand eben dieses des Wienerwaldes und man sieht auch ins Rosental hinein. Da gibt es ja auch sehr schöne Schutzhäuser, also wirklich ideal für lange schöne Frühlingswanderungen und unmittelbar in der Nähe der Stadt. Andreas Ja, aber kommen wir jetzt zu dem, was dort quasi auch draufsteht. Das ist die Klinik Penzing, oder? Walter Ja, also die Klinik Penzing war früher eigentlich im die Landesheilanstalt Niederösterreichs für Psychiatrie. Um das ein bisschen auch zu verstehen, muss man eine ganz kurze Geschichte der Psychiatrie in Wien auch einmal erzählen. Andreas Ich glaube, da gibt es auf jeden Fall den Narrenturm. Walter Zu Narrenturm war die erste große Einrichtung also wirklich auch klinische Einrichtung für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung. Andreas Genau. Der ist am Gelände des alten AKH in 1080. Walter Erbaut unter der Regierung von Joseph II. Und war wirklich so eine erste Überlegung, wie man eigentlich mit Menschen mit psychischen Krankheiten umgehen kann und soll. Und mit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt sich auch ein neuer Strang in der Psychiatrie, beziehungsweise in der Medizin. Und es setzt sich die Erkenntnis ein wenig durch, Menschen mit Geisteskrankheiten und Beeinträchtigung können auch geheilt werden. Walter Das heißt also, die Anstalten dienen nicht mehr nur zur Verwahrung, sondern man will richtige Krankenhäuser bauen. Und nach Auflösung des Narrentums 1866 werden zum Teil die Kranken in andere kleinere Spitäler und in verschiedenen Orten auch untergebracht, unter anderem zum Beispiel auch am Brünnlfeld das ist so in der Nähe von Michelbeuern. Aber grundsätzlich kommt man auf die Idee, man muss das eigentlich zentralisieren, so ähnlich wie alle anderen großen Einrichtungen zentralisiert werden, wie zum Beispiel die Friedhöfe, die Bahnhöfe etc. möchte man natürlich auch die Krankenhäuser in größere Einheiten zusammenfassen. Walter Ab Ende des 19. Jahrhunderts fasst man den Plan: Wir wollen eine große Anstalt einrichten, vor allem eben für Menschen mit diesen Beeinträchtigungen. Es gibt schon Diskussionen 1870 in den USA. Vor allem ein Psychiater, Kirkbride hieß der, der auch gesagt hat, wir müssen auch diese, überhaupt die Architektur auch ändern, dieser Anstalten. Also nicht mehr diese geschlossenen Ensembles und Überwachungseinrichtungen, sondern offene Pavillons, eine Verzahnung mit der Natur. Walter Ganz, ganz wichtig ist eben: Diese Menschen müssen Ruhe finden, brauchen Luft, brauchen Licht. Andreas Die Seele braucht sozusagen Erholung. Walter Ja, also das wird, also die Seele braucht ja auch natürlich auch überhaupt auf in der Diskussion. Sigmund Freud arbeitet ja auch sich auch an diesem Thema dann auch ab. Es ist ja alles nicht zufällig, dass es in Wien entsteht und man plant eine neue Anlage eben außerhalb der Stadt, aber am Rande der Stadt. Andreas Was wahrscheinlich auch wichtig ist, getrennte Unterbringung der Patienten und Patientinnen nach Erkrankungsbild. Walter Ja, auch hier: Die Medizin spezialisiert sich. Auf der einen Seite, als man versucht auch diese Pavillons so zu fassen, je nach Teildisziplin. Es gibt nach wie vor natürlich auch noch die Überlegung, wie schaut es mit Ansteckung raus? Nicht alles in einen Raum zusammenfassen oder in ein Gebäude, sondern schauen, dass man Abstände gewinnt. Es gibt ja nach wie vor ein die Idee, dass natürlich das alles über Atem oder über Luft übertragen wird. Walter Aber wichtig ist, dass man dieses Ensemble zerreißt, aufmacht und so einzelne Pavillons einrichtet. Interessant ist aber natürlich, die psychischen Krankheiten werden als Krankheiten anerkannt. Also es ist nicht mehr nur ein Manko oder es sind ausgesetzte Menschen, Paria, sondern man sagt auch, man kann sie behandeln, aber man will sie auch nicht in der Stadt haben. Sie werden hier am Stadtrand verlegt, man kann sie besuchen, es gibt öffentliche Verkehrsmittel, es ist unmittelbare Nähe zur Stadt, aber es bleibt trotzdem abgeschirmt und eine isolierte Einheit. Andreas Und deswegen wahrscheinlich auch der Bau am Gallitzinberg oder auch Wilhelminenberg, wie er ja heißt. Walter Das wurde ausgewählt, so als Ort, weil es erst mal, wie schon gesagt, Hanglage, Nähe der Stadt und die Stadt kann da relativ rasch und schnell auch Grundstücke erwerben. Es wird ein Architekt beauftragt, nämlich Carlo von Boog, der schon vorher kleinere psychiatrische Anstalten geplant und konstruiert hat, nämlich zuvor in Mauer-Öhling und Steinhof wird praktisch für ihn zum Folgeauftrag. Er legt also einen Entwurf vor, aber da gibt es sehr strenge Regeln und vor allem also sehr den Versuch, die Kosten zu reduzieren. Walter Das ist wirklich eine Beamtenlösung. Ein bisschen. Es ist eine sehr moderne Anstalt, aber hat natürlich nicht diese Pracht dieser späteren Pavillonbauten, die Wagner entworfen hat, dann. Andreas Ja, wie kommt da Wagner ins Spiel? Walter Ja, der Wagner schummelt sich da ein bisschen rein. Also das eigentlich fälschlicherweise wird es ja auch Otto-Wagner-Gründe genannt. Am Ende hat der Otto Wagner sich noch draufgesetzt auf den Entwurf von Carlo von Boog. Wagner hatte natürlich auch den ganzen Nimbus des Star-Architekten mitgebracht und auf einmal haben die Kosten nicht mehr so eine wichtige Rolle gespielt. Walter Also er erhält den Zuschlag für diese große Kirche und sagt dann noch na ja, die Pavillons könnte man ja auch noch ein bisschen anders gestalten. Andreas Und der Boof war jetzt begeistert, wenn der Wagner ein bissl so auf Rampensau macht? Walter Der war richtig böse. Man kann gut sagen, er war total angefressen. War völlig überarbeitet, hatte die strengen Auflagen des Magistrats, er muss Kosten sparen und der Wagner kann eigentlich machen lassen, was er will und protestiert dagegen, scheitert aber an den Entwürfen von Wagner. Wagner kann sich da eben mit seinen Pavillons, die natürlich sehr schön sind und natürlich, seinen typischen Fin de siècle- und Jugendstil tragen, durchsetzen. Walter Carlo von Boog scheitert und geht auch in die innere Emigration und verstirbt dann auch relativ bald. Andreas Und bei Wagner war wahrscheinlich auch noch mehr Geld da. Walter Ja, es war also definitiv. Er konnte ein bissl aus dem Volleren schöpfen, also auch nicht unermesslich. Aber er also sagen wir mehr Spielraum. Carlo von Boog musste zum Beispiel sehr sparsam umgehen mit den, mit den Bettengrößen und auch den Abständen zwischen den Pavillons und so, das konnte Wagner etwas großzügiger planen. Andreas Bissl eine tragische Geschichte. Walter Ja, irgendwie untergegangen, leider, ist die Geschichte von Carlo von Boog. Andreas Kommen wir aber zu diesen Pavillons zurück. Ich glaube, das ist ja das, was diese Anlage vor allem ausmacht. Walter Dieses sehr große Areal - es hat immerhin fast 1,5 Quadratkilometer - kann also wirklich sehr großzügig ausgebaut werden. Dieses Pavillonwesen ist eben so das State of the Art der damaligen Klinikarchitektur, wird auch schön ausgeschmückt, soll natürlich auch fürs Auge was bieten, also auch hier wurde das gesehen. Die Harmonie und Ästhetik ist natürlich auch für die Behandlung der Patient*innen enorm wichtig. Walter Ja, und es wird ein riesiges Areal eben gebaut und es werden insgesamt über 60 Einrichtungen dort errichtet. Verschiedene Gebäude, abber es war nicht nur die Pavillons, es gab auch Wirtschaftsgebäude, es gab Infrastruktur, es gab eine Art Zugverkehr, damals wurde ja alles über Schiene transportiert, das Essen, zum Teil auch am Nahrungsmittel, die noch nicht zubereitet wurden. Walter Es gab auch eigene Stallungen, es gab ein Schweinestall. Andreas Also es gab aber auch richtig einen Zug, weil ich meine natürlich, das Gelände ist ja ziemlich weitläufig. Walter Also es sollte wirklich autonom als kleine Stadt funktionieren. Also wenn man schon die Kranken aus der Stadt bringen möchte, dann möchte man auch aber haben, dass sie nicht in die Stadt kommen. Und überhaupt der Kontakt zu Stadt relativ sporadisch nur mehr erfolgt und daher Wäschereien, Werkstätten, alles was eben für die Infrastruktur notwendig und Versorgung der Kranken sollte im hohen Ausmaß. Walter Man kann nie völlig autonom sein, aber dort einfach auch erarbeitet und zugerichtet werden. Andreas Und über allem thront irgendwie diese Kirche. Walter Ja, diese Kirche, also diese Kirche war das war wirklich so ein Otto-Wagner-Bau. Andreas Um sein Hauptentwurf wahrscheinlich. Walter Ein Hauptentwurf, eine der wichtigsten Kirchen überhaupt, seiner wichtigsten Bauten und sehr prächtig. Gab natürlich aber auch sehr viel Kritik an dieser Kirche. Also es gibt immer Kritiker... Andreas Vielleicht weil's ein bisschen exotisch ausgeschaut hat? Walter Ja, also es gab dann so spitze Bemerkungen eigentlich schaut's mehr aus wie das Grabmal des Maharadschas, eines indischen Fürsten. Wenn man wirklich auch hinschaut, wirkt's so ein bisschen wie eine Pagode. Aber wie ich schon gesagt hab ein sehr, sehr luxuriöser Bau und mit sehr edlen Materialien ausgestattet. Also ist hier auch sehr wichtig, diese Wertschätzung natürlich auch dieser Kliniken noch einmal auch mit einem hohen Ausmaß an Ästhetik zu vermitteln. Andreas Umgesetzt ist das Ganze jetzt worden Anfang des 20. Jahrhunderts, oder? Walter Ja also 1901 praktisch beginnt die Planung, 1904 erfolgt die Grundsteinlegung und innerhalb von drei Jahren wird dieses ganze Gebäude errichtet. Oder dieses ganze Ensemble. Also das ist schon etwas, eine große bauliche Leistung innerhalb von drei Jahren, um dieses große Areal mit all diesen verschiedenen Einrichtungen, eben von den Stallungen, von einer Forellenzucht bis hin zu moderneren Operationssälen, das zu errichten. Andreas Glaube fällt in der Phase, wo einfach auch Arbeitskraft recht günstig war durch den Zuzug. Walter Ja, also natürlich, waren das sehr viele Bauarbeiter, kamen aus der aus der Monarchie, Tschechen, Böhmen, aber auch Italiener, also bis zu 5000 Arbeiter waren da eigentlich tätig am Höhepunkt der Bautätigkeiten. Ja, das war ja wirklich eine riesige Baustelle und innerhalb von drei Jahren hat man eigentlich die modernste und größte Klinik Europas dort aufgebaut. Andreas Das heißt 1904 plus 3, 1907 wurde es eröffnet und ich nehme an, für damalige Verhältnisse wahrscheinlich eine der größten und modernsten Kliniken Europas, oder? Walter Ja, also über 2200 Betten. Also es war schon enorm. Es gibt darüber hinaus nach wie vor dieses Theater, es gibt die Kirche und all die anderen Einrichtungen wurden dort innerhalb von drei Jahren eben richtet und das am Stadtrand. Also das war schon doch natürlich auch eine infrastrukturelle Aufgabe, überhaupt die Baustoffe auch dorthin zu bringen. Es wurden auch extra Schienen dorthin verlegt. Andreas Einiges an Logistik wird es wahrscheinlich brauchen. Also ich denke da allein an Nahrung oder - also wenn das alles autonom funktioniert, das muss ja unglaubliche Ausmaße angenommen haben. Walter Ja, war aber auch absolut notwendig. Also die Kaiserstadt, fast 2 Millionen Einwohner schon damals, hatte natürlich auch sehr viele psychische Erkrankungen. Das war so... wurde gerade erst entdeckt... das Bürgertum hat sich, sagen wir mal so die Frage der Hysterie ist aufgekommen. Die Überarbeitung, heute würde man sagen Burnout, man konnte mit diesen technologischen Entwicklungen nicht mithalten. Vielen Leuten war das auch unheimlich. Walter Dementsprechend entstanden auch sehr viele Psychosen auf der einen Seite, auf der anderen gab es natürlich auch natürlich sehr viele Leute, die aufgrund der Industrialisierung sehr krank wurden, auch psychisch krank wurden. Andreas Ja, ich glaube, und der ist natürlich ein Faktor, natürlich bei weitem nicht der einzige Faktor. Also das geht ja weit darüber hinaus. Und natürlich der andere Punkt ist das glaube ich wie du gerade eben gesagt, dass zu dieser Zeit überhaupt erst mal ein Bewusstsein für diese Krankheiten geschaffen worden ist und man natürlich jetzt noch verstärkt versucht hat, Menschen da auch in ein Kliniksystem zu bekommen. Andreas Das geht ja aber dann wahrscheinlich weiter. Also wir bewegen uns ja in Richtung des Ersten Weltkriegs. Walter Ja, also schon vor dem ersten Weltkrieg ist das Krankenhaus überbelegt. Also 1911 müssen noch zwei zusätzliche Pavillons gebaut werden, aber mit dem Ersten Weltkrieg, wird natürlich das Problem extrem virulent. Die Soldaten kommen zurück. Es werden also nicht nur Soldaten mit psychischer Erkrankung auch dort behandelt. Also es werden fast 4000 Patienten jetzt untergebracht, wo nur 2000 Patienten vorher angedacht waren und darunter auch sehr viele geisteskranke Soldaten, wie man sie genannt hat, die wir natürlich aus diesen. Andreas Stellungskrieg, der das ganze Leben gewirkt hat, genau die Artillerie etc. das berühmte Zittern der der Soldaten, die zurückgekehrt sind. Walter Das alles hat zu einer extremen Überfüllung des Spitals geführt. Das Problem war natürlich auch noch der Mangel an medizinischen Instrumenten, Medikamenten, an Nahrungsmittel. Viele der Errungengschaften, die vor dem erste Weltkrieg erreicht wurden, mussten wieder zurückgenommen werden. Es gab eben die mangelnde Versorgung. Es gab an die wahrscheinlich 2800 Tote cann während des Ersten Weltkriegs, die einfach am Steinfof aufgrund von Nahrungsknappheit und Infektionen auch gestorben sind. Walter Also das war wie gesagt dann eigentlich die Vorzeigeklinik, wurde dann mehr oder weniger zum Sterbesanatorium für viele Menschen. Andreas Man darf auch nicht vergessen, das ist dann auch die Zeit, wo die Spanische Grippe wütet. Also Pandemien kommen dann hinzu, jetzt zur geschwächten Bevölkerung in Europa. Also insgesamt keine schöne Zeit. Walter Also eine Überlastung auch des Systems. 1922 muss man dann auch einen Aufnahmestopp von Patient*innen vornehmen. Also weil das Krankenhaus eben so überfüllt ist und weil eben auch langsam die Infrastruktur schon wieder zerfällt. Gleichzeitig grassiert vor allem auch die Tuberkulose und ein Resultat aus dieser neuen, entstehenden oder grassierenden Krankheit ist derjenige, dass man eine Lungenheilanstalt für Frauen 1923 einrichtet. Andreas Klar, weil ich nehme an, die Höhenlage ist recht praktisch für die Behandlung. Walter Ideal. Also Teile der Pavillons werden eben für die Pulmologie umgebaut. Fenster werden geöffnet, frische Luft soll hineinkommen. Also wirklich auch noch einmal die Pavillons, noch mehr Licht gefüllt und noch offener gestaltet. Es werden Luft- und Sonnenkuren eingeführt, wie so richtig wiederum auch ein modernes Spital, also insbesonders eben für die Pulmonologie. Andreas Und dann gibt es natürlich noch das eine große Thema, über das wir sprechen müssen. Das sehr traurige Thema. Walter Ja während der nationalsozialistischen Herrschaft wird dieses Klinikum, diese positive Einrichtung zum Schreckensort. Also die Nazis verwandeln dieses Spital eigentlich um mehr oder weniger eine Todesanstalt und wird für Experimente missbraucht. Die berüchtigte Aktion T4, die von den Nationalsozialisten ja schon vorher in Deutschland umgesetzt wurde, war eine Aktion, um psychisch Kranke zu eliminieren, auszusortieren, entweder zu sterilisieren oder überhaupt zu töten. Walter Dies wurde auch dort umgesetzt, teilweise. Also man hat Leute, Patient*innen aussortiert und nach Hartheim gebracht, wo sie auch dort umgebracht wurden. Danach, 41, wurde die Aktion T4 aber eingestellt auf vor allem auf Druck von der katholischen Kirche und man hat aber trotzdem Menschen dort zu Tode gebracht. Entweder durch Nahrungsmangel, durch fehlende medizinische Behandlung, durch Misshandlung etc. Das ganz tragische Schicksal haben natürlich die Kinder dort erlitten. Walter Also die Nazis haben dort eine Jugendfürsorgeanstalt am Spiegelgrund eingerichtet, 1940 mit neun Pavillons und dort wurden vor allem also Behinderte, kranke oder auch schwer erziehbare Jugendliche untergebracht und dort wurden sie systematisch gequält, also von den Ärzten und von der Pflegschaft. Und über 800 von ihnen wurden ermordet. Nach dem Krieg mussten sich ja nur wenige von den Täter*innen, es waren ja auch Frauen dabei vor dem Volksgerichtshof verantworten. Walter Der Anstaltsleiter, der Dr. Illing war der einzige, der gehängt wurde, also durch den Volksgerichtshof auch zu Tod durch den Strang verurteilt. Andere sind einfach davongekommen. Also viele sind einfach untergetaucht oder wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Und dann gibt es natürlich dieses eine Beispiel noch als besonders schlimme für die österreichische zweite Republik. Andreas Du sprichst wahrscheinlich von Dr. Heinrich Gross, der dort ein Stationsleiter war und dann quasi zwar schon in Kriegsgefangenschaft war, aber dann auch wieder auf der Flucht. Nach dem Krieg zu zwei Jahren Kerker verurteilt wurde, aber weiter praktizieren konnte, eigentlich dann auch mit Preisen überhäuft worden ist und vor allem halt lange Zeit weiterhin auch als Primarius einer psychiatrischen Klinik, also der zweiten psychiatrischen Klinik, weiterarbeiten konnte und wo es eigentlich bis in die 70er Jahre hinein gedauert hat, bis sein Fall wieder aufgenommen worden ist. Walter Ein ehemaliger Patient, ein Jugendlicher, ein Kind, das von ihm behandelt auch wurde, erkennt ihn wieder. Der Friedrich Zawrel muss wieder auf die Baumgartner Höhe aus psychischen Gründen und findet dort seinen ehemaligen Folterarzt wieder und spricht ihn auch an und der tut so, als würde er ihn nicht erkennen und es kommt somit auch an die Presse und wird publik. Walter Und dann gibt es eine große Kampagne gegen Heinrich Gross und der versucht sich immer noch herauszureden. Und es gibt immer noch Ärzteschaft und Wissenschaftler, die ihn stützen und sagen: Na ja, das muss man auch vergessen, das kann man nicht so, es war schwierige Zeit, also wie so diese klassischen Ausredemuster der Zweiten Republik hinsichtlich auch Kriegsverbrechern beziehungsweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Walter Ja, und erst sehr spät muss Heinrich Gross eigentlich zurücktreten, zieht sich dann aber zurück in seine Pension und kann dann eigentlich sein Leben trotz eines Prozesses, der aber abgebrochen wird, in Pension, in Ruhe zu Ende bringen. Ja, am Ende wurde er nie wirklich zur Verantwortung gezogen, obwohl er verantwortlich war für den Tod von vielen, vielen Kindern. Andreas Sicher ein Fanal der Zweiten Republik. Auch noch eine sehr unschöne, traurige Geschichte ist natürlich die Sache mit den Überresten der toten Kinder. Walter Ja, das hat man eben lange auch unter den Tisch gekehrt. Die Kinder wurden ja nicht nur getötet, sondern es wurden ja auch Teile von ihnen entnommen, zwecks medizinischer Forschung, medizinische Zwecke. Und das war lange in den Spitälern auch gelagert. Die Überreste von diesen armen Menschen wurden einfach untersucht und wurden weiter als Präparate genutzt für Student*innen oder für eben für diverse Forschungsaufträge. Walter 1998 erst hat man im Ludwig-Boltzmann-Institut, also wirklich das führende Forschungsinstitut in Österreich, noch die Überreste von diesen getöteten Kindern gefunden und erst 2002 wurden eigentlich die letzten Überreste dieser Kinder am Ehrengrab der Stadt Wien am Zentralfriedhof auch begraben. Andreas Eine traurige Geschichte. Wir müssen trotzdem noch sozusagen jetzt zum Abschluss und zum Heute kommen. Was gibt es für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu erzählen? Walter Ja, also eigentlich wurde die Psychiatrie dort ja auch normal auch weitergeführt. Erst später dann wurde die Psychiatrie von der Baumgartner Höhe weg in andere Spitäler verlagert, Klinik Nord etc. Also in kleinere Einheiten. Es war nicht mehr das Setting, das Ensemble war nicht mehr geeignet, auch wirklich moderne psychiatrische Methoden auch anzuwenden. Und es kamen neue Institute und Einrichtungen auf die Baumgartner Höhe. Walter Zunehmend wird aber auch die Baumgartner Höhe auch für andere Zwecke genutzt, also für Theateraufführungen, für Ausstellungen. Jetzt gerade ist es ein Zwischenquartier fürs Volkskundemuseum. Also von dem her öffnen sich auch die Pavillons. Eine zeitlang war es auch ein möglicher Standort für die Soros-Universität, die aus Budapest verdrängt wurde. Kurz die Überlegung, hat sich dann aber auch zerschlagen. Also die Pavillons sind nach wie vor ein Ort, eigentlich. Walter Die, die einladen, um neue Initiativen auch als Hort darzustellen oder bzw halt Abend neue Initiativen einzuladen. Andreas Ich denke also es gibt ja viele Gerüchte darum, was dort hin kommt. Wir werden gespannt darauf schauen. Warten. Was ich schon glaube, ist das einfach auch mit Bedacht auf die Vergangenheit, mit Bedacht auf den besonderen Ort zu einer Neuwidmung dieses im Grunde ja großartigen Geländes kommen wird. Walter Es gibt natürlich auch immer sehr große Interessen auf die Steinhofgründe, soll man sie bebauen, nicht bebauen. Das ist natürlich ein Naherholungsgebiet. In den 70er Jahren gab es schon mal den ersten Vorschlag. Man könnte ja darauf andere Einrichtungen, also wie zum Beispiel größere Büros oder Wohneinrichtungen, dort erbauen. Gab es auch eine erste Bürgerinitiative dagegen. Man wollte das unbedingt erhalten, weil natürlich die Steinhofgründe einfach super sind, schöne Wiesen, Walter Es gibt auch die Obstbäume von der Klinik selbst gepflanzt eben zur Selbstversorgung. Nach wie vor das schöne Kirsch- und Apfelbäume, so weit ich weiß. Ja, das ist ein riesiges Areal und das wurde aber zum Glück gerettet. Vor kurzem gab es wieder Vorschläge, man könnte ja doch was bebauen, man könnte wiederum das irgendwie auch für Wohnungen nutzen, wurde aber wieder abgewehrt. Walter Das ist zum Glück ein Ort, der so gut angenommen wird und gerade für die Ottakringer und Penzinger so wichtig ist, um einfach mit der Familie ein Ausflug zu machen, dort zu picknicken, laufen zu gehen, Sport zu betreiben oder einfach die Seele baumeln zu lassen. Andreas Ja, bevor wir dazu einladen, diesen Ort auch mal wieder zu erkunden und zur erwandern. Walter, was ist dein Lieblingsort? Walter Meiner ist dieser Platz innerhalb der Steinhofgründe der Rosental-Blick nennt sich das. Da hat man wirklich einen tollen Ausblick auf die Stadt, auf die Wiesen. Man ist so auf der Wiese, man hat einen Blick auch auf diese tollen Obstgärten. Ja, und es ist einfach wirklich ein Ort, um sich auszuruhen und wirklich schön zu lesen und die Seele baumeln zu lassen. Und bei dir? Andreas Ja, Seele baumeln lassen ist, glaube ich, das Stichwort. Ich würde sagen tatsächlich die Otto-Wagner-Kirche. Also das ist natürlich von der Architektur ganz beeindruckend und es ist eine gewisse Ruhe. Dann würde ich sagen, wenn ihr die notwendige Ruhe gefunden habt, uns eine Nachricht zu schreiben, dann schickt sie gerne an podcast@ma53.wien.gv.at, empfehlt uns weiter und likt unseren Podcast Bis zum nächsten Mal. Andreas Es verabschieden sich Andreas und Walter. Walter Die beiden Autorinnen Barbara Dmytrasz und Gisela Vorrath haben 2015 den informativen und detailreichen Band "Lebensbezirk Penzing: auf der Sonnenseite des Wientals" herausgebracht. Hier kann man sich über die facettenreiche Geschichte des Bezirks informieren und für ausladende Spaziergänge im Wienerwald mental rüsten. 2015 herausgebracht. Die dunkle Seite des Stadtteils zeigt Johann Gross in seinem autobiografischen Buch "Spiegelgrund Leben in NS-Erziehungsanstalten". Walter Gross wird als 10-jähriger in die gefürchtete Anstalt überwiesen und durchlebt die Hölle. Er begegnet dort auch seinem zufälligen Namensvetter Heinrich Gross, der systematisch Grausamkeiten an den Kindern der Anstalt unter dem Deckmantel der Wissenschaft verübt. Eine Einleitung wurde von der berühmten Autorin Christine Nöstlinger beigestellt. Erschienen 2015 bei Überreuther. Neben den vielen bekannten Sehenswürdigkeiten sollte man sich den Besuch eines Kulturschmankerls in Penzing nicht entschlagen, nämlich eines Kinobesuch. Walter In den Breitenseer Lichtspielen. Nach Eigendarstellung das älteste bespielte Kino der Welt. Ob das ganz der Realität entspricht, ist schwierig nachzuweisen. Es spielt aber sicher in der Reihung für diesen Ehrentitel ganz vorne mit. Einfach hinfahren. Eine Packung Sportgummis am Buffet erwerben und die Atmosphäre von über 115 Jahren Kinokultur auf knarzender Kino-Bestuhlung genießen.
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