
Grätzlgeschichten
Im neuen Geschichte-Podcast der Stadt Wien erzählen die Zeithistoriker und Geschichtsgreisslerei-Podcaster Andreas Filipovic und Walter Szevera "Grätzlgeschichten" aus der Wiener Historie. Erzählt wird die Bezirks-Geschichte anhand eines zentralen Ortes in den 23 Bezirken – dort wo sich wichtige Ereignisse für die politische oder gesellschaftliche Entwicklung unserer Stadt abgespielt haben.
Grätzlgeschichten
19 | Das Stubenviertel und die Anfänge der Universität Wien
Herzog Rudolf IV. träumte 1365 von einer "Pfaffenstadt" – einem ruhigen theologischen Campus gegenüber der Hofburg. Doch die Realität sah anders aus: Die Universität Wien fand ihren Platz im geschäftigen Stubenviertel zwischen Badestuben, Handwerksbetrieben und einem "babylonischen Sprachgewirr" aus ganz Europa.
Von den ursprünglichen Plänen Rudolfs IV. über den Jesuitencampus von 1624 bis zu den Reformen Maria Theresias und der Revolution von 1848: Eine Grätzlgeschichte, die die Entwicklung Wiens vom Mittelalter zur Moderne erzählt.
Mehr Wiener Geschichte findet ihr im Wien Geschichte Wiki. Andreas und Walter könnt ihr außerdem in der Geschichtsgreißlerei hören.
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-Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Grätzlgeschichten. Es begrüßen euch Andreas und Walter. Wohin geht es heute?-Heute geht es in den ersten Bezirk, und zwar ins Stuben- und Universitätsviertel.-Also endlich Wien kann man sagen.-Ja, die innere Stadt- und Gesamtstadtgeschichte war ja für lange Zeit komplett ident. Also man kann es kaum unterscheiden.-Ja, und wo in der früheren Stadt und jetzigen Innenstadt findet man dieses Stuben- und Universitätsviertel?-Ja, das ist so dieser Bereich von der Dominikaner-Bastei, Franz-Josefs-Kai, Stubenring, Lugeck, Bäckerstraße und Sonnenfelsgasse. Das ist so dieser wirklich noch alte, mittelalterliche Teil. Enge Gassen, sehr viele Keller, es gibt ja noch sehr viele Weinlokale. Ja, und eben auch Klöster und den sehr schönen Barockplatz bei der alten Universität.-Super, ich freue mich drauf. Davor aber noch zwei Minuten Heimatkunde.-Den ersten Bezirk in zwei Minuten zu beschreiben, ist eigentlich zum Scheitern verurteilt. 2.000 Jahre Geschichte so zu komprimieren, das kann einfach nicht klappen. Vor allem ist für fast 1.800 Jahre die Geschichte der inneren Stadt mit der von ganz Wien mehr oder weniger ident. Daher beginnen wir in der Grätzlgeschichte einfach mit dem möglichen Anfang und dem Ende. Den historischen Kern bildet eine kleine Keltensiedlung, die von einem römischen Militärlager mehr oder weniger adaptiert wird und in dessen Zentrum im Bereich Freyung und Schottenstift liegt. Aber warum gerade dort? Grund dafür waren nach neuesten Erkenntnissen ein Massaker. Und zwar an mehr als 150 römischen Soldaten im ersten Jahrhundert. Eine für die damals mächtigste Militärmaschine Europas ungewohnte Niederlage, die zur panischen Errichtung einer Kaserne zum Schutz gegen rauflustige Urbevölkerung geführt haben könnte. Hier formiert sich der Nukleus, aus dem sich 1.500 Jahre später das Zentrum eines Weltreichs formt. Zum Verwaltungs- und Herrschaftszentrum wird Wien eigentlich erst 1155 unter dem Babenberger Herzog, Heinrich Jasomirgott. Danach geht es mit der inneren Stadt stetig bergauf. Im Laufe des 12. Jahrhunderts wird sie systematisch ausgebaut und nimmt jene Form an, die wir heute als innere Stadt kennen. Als dann noch Wien 1558 zur Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs ernannt wird und diesen Titel bis auf kurze Unterbrechungen bis 1806 innehat, gibt es kein Halten mehr. Die innere Stadt wird zur sprichwörtlichen Boomtown und dies trotz 20 dokumentierten Belagerungen und einer Unzahl von katastrophalen Seuchen mit erheblichen Bevölkerungsverlusten. Nicht umsonst hieß
es im Mittelalter:Vienna ventosa aut venenosa– in Wien herrscht der Wind, oder die Pest. Und die Folgen der Geschichte als Zentrum von zwei Weltreichen und einer prosperierenden Republik sind heute im 1. Wiener Gemeindebezirk deutlich zu erkennen. Denn erstens ist die innere Stadt wohlhabend. Das Durchschnittseinkommen liegt im 1. Bezirk um gut 50 Prozent über dem Wien-Durchschnitt. Dies hängt unter anderem mit dem extrem hohen Anteil an ansässigen Dienstleistern von Verwaltung und Finanz im hochqualifizierten Sektor zusammen. Über die Hälfte der Innenstadtbewohner*innen sind auch Akademiker*innen und durchschnittlich stehen einer Bewohner*in stolze 53 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Auch ist hier die Arbeitslosenrate am niedrigsten in ganz Wien. Für weiteren Wohlstand sorgt auch der boomnde Städtetourismus. Denn während im Gesamtwiener Durchschnitt pro Nacht auf einen übernachtenden Gast 37 Wiener*innen kommen, nächtigen in der Innenstadt nur doppelt so viele Einwohner*innen wie zahlende Hotelgäste. Dies führt natürlich auch zu einem dichten Treiben in den Gassen und Plätzen, die einen manchmal an die Gedrängtheit des Wiens im 19. Jahrhundert erinnert. Denn selbst in der Anzahl von PKWs steht die innere Stadt an der Spitze. Auf 100 Bewohner*innen kommen sage und schreibe 98 Autos. Im Verhältnis dazu Margareten, hier steht es 100 zu 26 für die Menschen. Man fragt sich eigentlich, wo diese vielen Autos fahren und parken können. Das ehrwürdige Alter der inneren Stadt findet seine Entsprechung auch in der Altersstruktur seiner Bewohner*innen. Das Durchschnittsalter beträgt 47 Jahre und liegt somit 6 Jahre über dem Wiener Gesamtschnitt. Auch sind Menschen unter 15 Jahren am schwächsten im ersten Bezirk vertreten. Und der Bezirk schrumpft. Die innere Stadt gehört zu den wenigen Bezirken mit negativen Bevölkerungssaldo in den letzten Jahren. Wohnten noch 1880 fast 70.000 Menschen auf dem Gebiet des ersten Bezirks, sind es heute nur mehr ungefähr 16.500. Die negative Geburtenrate wird primär durch Zuzug ausgeglichen, wobei hier in den letzten 10 Jahren vor allem Menschen aus der Ukraine hergezogen sind. Danach, weit abgeschlagen, deutsche Staatsbürger*innen. Alleine müssen sich die Bewohner*innen trotzdem nicht fühlen, denn zu den vielen Tourist*innen kommen noch 155.000 Einpendler*innen pro Tag. Man kann daher nur froh sein, dass die Stadtmauer 1864 endgültig abgerissen wurde und dass zumindest noch der Wind herrscht.-Ja, danke Walter für diese interessanten Fakten. Nochmal zurück zu unserem Ort, dieses Stubenviertel. Das ist ja eigentlich total schön und heimelig, ne?-Ja, also hat eben so den Flair dieses Mittelalters, eben diese kleinen engen Gassen, niedrigen Gebäude, sehr viele Klöster und daher auch nicht ganz so überlaufen touristisch wie die anderen Plätze und Gassen, Straßen im ersten Bezirk, also auch sehr viele ruhige Plätze auch. Ja, und dementsprechend auch hat es sehr viel Atmosphäre.-Wieso heißt denn das Stubenviertel eigentlich Stubenviertel? Das würde ja implizieren, dass es dann noch drei andere Viertel gibt.-Ja, es gab insgesamt in dieser mittelalterlichen Verwaltung vier Viertel, nämlich das Kärntnerviertel, das Widmerviertel, das Schottenviertel und eben das letzte Stubenviertel. Es waren einfach so eine Art Organisations- und Verwaltungseinheiten im Mittelalter. Es gab auch keine fixen Straßennamen oder Hausnummern. Ja, und es waren Sprengeln, da hat man die Steuern organisiert, die Verlautbarungen vorgenommen. Es waren auch so Sprengel für militärische Aufgebote. Da mussten sich also auch die Bürger versammeln. Zum Beispiel im Stubenviertel war das Lugeck, zum Beispiel so ein Versammlungsort, wenn es gebrannt hat oder wenn man einfach militärische Aufgebote erbringen musste.-Wieso heißt das jetzt Stubenviertel?-Ja, wahrscheinlich, ganz sicher ist es nicht, aber es lehnt sich wahrscheinlich an an den Badestuben, den Begriff. Das Stubenviertel war ja auch nicht das beste Viertel in der inneren Stadt, so quasi ein bisschen übel beleumundet. Da gab es sehr viele Lokale, Gaststätten, eben auch eben sehr viele Badestuben. Es waren auch oft Orte der Prostitution und auch einfach, sagen wir mal, von nicht ganz legitimen Handels. Es wurde auch da zum Beispiel Schlachtvieh von der Grenze auch eingeführt. Hier waren auch sehr viele Handwerksbetriebe. Die Gassen geben ja auch die Auskunft dazu, Riemergasse, Bäckergasse, Wollzeile. Es wurde hier gearbeitet, es wurde gefeiert. Ja, und es wurde eben auch sehr viel auch an, sagen wir mal, Vergnügungsstätten auch eingerichtet.-Ich sag nochmal kurz zurück zum Badestuben. Das Kaiserbründel, ist das noch so ein Überblick?-Ja, das ist so ein Überbleibsel einer der wenigen Bäder, die noch vorhanden sind. Und es gab ja auch sehr viele Brunnen und Quellen. Und dementsprechend konnten auch diese Badestuben da aus den Vollen schöpfen und vor allem auch so warme Quellen abzapfen.-Ich verstehe. Also Badestuben, Schweineställe und Märkte quasi.-Ja, und große Handelshäuser hatten auch dort ihre Warenhäuser. Also es war auch sehr viel an Verschub an Waren, Gütern, Geld und natürlich auch zum Beispiel auch ein Vieh.-Jetzt gibt es aber natürlich, also du hast ja vorhin gesagt, nicht nur Stubenviertel, sondern auch die alte Universität ich nehm an, also Alma Mater Rudolphina als Name für die Universität Wien ich nehm an, das hat was mit Rudolf dem Stifter zu tun.-Irgendwie sagt das schon der Name Rudolf der Stifter. Rudolf IV. war Herzog von Österreich, also noch kein Kaiser. Von 1339 bis 1365 hat er gewirkt und er wollte eigentlich Wien einfach den Status auch erheben. Also primäres Ziel war immer, Wien muss Bischofssitz werden. Das war ja damals noch unter der Verwaltung der Passauer Bischöfe. Und eine der vielen Maßnahmen, um den Status der Stadt, eben zu verbessern, war auch die Einrichtung einer Universität. Also Universitäten waren ja damals in Europa ja gar nicht so zahlreich vorhanden.-Das war so der heiße Scheiß, da sind gerade in Italien ein paar Leute auf die Idee gekommen, später in England, Frankreich.-Aber nördlich der Alpen gab es eigentlich lange Zeit keine Universitäten und die allererste wurde ja 1348 in Prag eingerichtet.-Die erste deutschsprachige Universität.-Ja, richtig. Und danach in Krakau und 1365, relativ knapp danach, schon eigentlich die Alma Mater Rudolphina. Also dem Herzog war das ein großes Anliegen und er wollte so eine Art Pfaffenstadt einrichten. Also die Universität ist ja nicht so eine Institution, wie man sie heute kennt, sondern es ist ja wirklich mal so eine theologische Fakultät, verbunden immer mit der Kirche. Und ja, er wollte wirklich so einen richtigen Campus einrichten und zwar an einer nobleren Stelle, nämlich gleich gegenüber von seiner Burg, der jetzigen Hofburg, war ja früher auch ein anderes Gebäude.-Das ist jetzt nicht im Stubenviertel?-Richtig, eigentlich auf der anderen Seite. Gegenüber von der jetzigen neuen Universität. Die Pläne waren relativ weit gediehen, aber Rudolf IV. hat ja nicht lange gelebt und nach seinem Tod ist es wieder verschwunden eigentlich. Es gab zwar dann die Universität, also theoretisch als Einrichtung, aber sie war lose verteilt über einzelne Häuser. Aber man wusste nicht ganz genau, wo man die eigentlich unterbringen sollte. Seine Nachfolger waren dann nicht ganz so interessiert, eine Universität einzurichten. Und so hat man, hat sich das eher so um den Stephansdom herum zur Schule zum St. Stephan eingerichtet. Und erst sehr viel später. hat man eigentlich diese Universität wirklich so als Campus eingerichtet. Und da hat man sich aber eigentlich so dieses Stubenviertel ausgesucht, also die eher schlechtere Gegend und nicht gleich in der Nähe vom Hof.-Wie ist das eigentlich zahlt worden, das Ganze?-Ja, man hat da Sondersteuern eingehoben. Dadurch war die Universität auch nicht besonders beliebt bei den Wienerinnen und Wienern. Also vor allem auf Getränke, auf Alkohol und sonstige Genussmittel. Irgendwie musste das ja finanziert werden und die Stadtkasse war immer klamm. Also nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit.-Also Wein trinken, um was sie erst predigen zu können.-Richtig. Jetzt war aber natürlich immer Alkohol und Wissenschaft immer in einem gewissen Verhältnis oder Beziehung zueinander. Und unter Albrecht III. bekommt eben die Universität so einen festen Sitz. So um 1384, 85. Und genau in dem Stubenviertel wird das eingerichtet. Das war ein sehr lebhaftes Viertel auch, muss man sich vorstellen. Also Zeitzeugen sprechen ja wirklich auch dort von einem babylonischen Sprachgewirr. Also von syrisch bis niederländisch wurde dort gesprochen. Wie schon gesagt, daneben wurde auch noch geschlachtet, gehandelt, gebadet und was auch immer sonst an Vergnügungen gab.-So viel zur Internationalität der Stadt. Also das ist so 650 Jahre und es ist wahrscheinlich noch wilder als heute.-Es war nicht diese Pfaffenstadt, die eigentlich der Herzog davor, der Rudolf IV. einrichten wollte, sondern der wollte wirklich so einen Campus haben mit Ruhe und dass die Theologen und die Philosophen kommunizieren können miteinander, ohne gestört zu werden. Oder Bücher schreiben oder Bücher lesen. Und die neue Universität wird dann praktisch im ärgsten Gewirr untergebracht und in einem sehr lebhaften Viertel.-Ja, immerhin dann mitten im Leben, sozusagen. Ja.-Und es werden einzelne Gebäude errichtet, also nicht, wie gesagt, dieser geschlossene Campus. Zum Beispiel das Collegium Ducale, also das Herzogskollegium. Aber die Bausubstanz war eigentlich immer sehr schlecht, weil die Unis immer unterfinanziert waren. Es hat reingeregnet, es waren natürlich immer auch Gefahren für die Bibliotheken vorhanden.-Das hat eine 650-jährige Tradition.-Ja, also es ist immer zu wenig Geld da. Also die Löhne werden nicht ausbezahlt, die Studierenden müssen Studiengebühren zahlen. Die sind recht unglücklich. Also das ist nach wie vor 650 Jahre ähnliche Geschichte. Aber inhaltlich orientiert man sich eher so an der Sorbonne, also an dieser Professorenuniversität, nicht an der Selbstverwaltungsuniversität. Das gab es ja auch im Mittelalter, dass sich die Studenten sich selbst verwalten. Ja, und eben diese einzelnen Richtungen und Studienrichtungen waren über einzelne Gebäude auch verteilt. Also zum Beispiel 1419 wurde das Haus der Ärzte in der jetzigen Weihburggasse gekauft. Das wurde bei einem Brand im 16. Jahrhundert zerstört und wurde dann aber später noch einmal den Ärzten übergeben.-Ja, da sitzt ja heute die Ärztekammer drinnen.-Genau, seit 56, genau dort.-Da war schon drinnen ein wunderhübsches Gebäude.-Also alte Traditionen, da sieht man auch, wie sich das über die Jahrhunderte immer wieder rumperpetuiert.-Und in der Stadt abbildet in gewisser Weise.-Also zum Beispiel wurde die neue Schule auch in der Wollzeile errichtet, aber aus Material, das man vorher von der Synagoge, die vorher bei einem furchtbaren Pogrom 1421 zerstört wurde, auch von dort entnommen hat. Also man hat das Baumaterial natürlich nicht weggeschmissen, aber das war natürlich auch so in den Wirrnissen des Mittelalters und den durchaus verbrecherischen Vorgängen, vor allem gegen Minderheiten, auch gegen die Juden, hat man da einfach die Synagoge abgerissen, hat aus der einen Teil der Universität gebaut.-Gut, auch da gibt es eine traurige Tradition in der Stadt.-Ja, also das darf man auch nie vergessen. Also eben, das war ein furchtbares Massaker an der jüdischen Bevölkerung 1421. Ja, die Universitätsstätten haben sich dann, wie gesagt, über die Stadt einzeln verteilt. Zum Beispiel auch, es gab auch einen Karzer für Studenten zum Beispiel. Die hatten ja auch eine eigene Rechtsprechung.-Genau, das wollte ich sagen. Das muss man ja wissen, dass Studierende quasi, also Studenten in dem Fall im Mittelalter, die sind ja nicht der Rechtsprechung des Landesherrn unterlegen, sondern da war der Rektor zuständig. Der konnte aber sogar bis hin zu Tod oder Leben entscheiden.-Ja, also er konnte exkommunizieren, was sonst normalerweise nur die Kirche durfte, aber er konnte auch Todesurteile aussprechen. Und zum Beispiel eben dieser Jesuitenplatz, wo die alte Uni jetzt da ja untergebracht wurde, war die Richtstätte für Studenten, die dort hingerichtet wurden.-Trotzdem muss man sagen, war es ja in gewisser Weise ein Privileg, also nur dem Rektor quasi gegenüber gerichtbar zu sein.-Was natürlich auch immer wieder zu Konflikten innerhalb der Gemeinde geführt hat. Also die Studenten hatten die eigene Rechtsprechung. Die waren natürlich auch nicht immer Kinder von Traurigkeit. Es gab Auseinandersetzungen, auch mit der lokalen Bevölkerung. Man spricht auch durchaus so von Kriegen mit den Weinbauknechten, mit den Fleischhauern. Also da ging es schon ziemlich zu. Und die konnten sich natürlich dann auf die Rechtsprechung der Universität berufen, aber die oft eben sehr streng waren. Wenn die über die Stränge geschlagen haben, sind sie dann in den Karzer gekommen. Die Studenten haben ja nicht in ihren eigenen Studentenwohnheimen gelebt, sondern die wurden verteilt über die einzelnen Gebäude, sogenannte Bursen, also die Börse stammt ja auch von dem Begriff. Die zahlten so einen gewissen Obolus pro Monat, wohnten oft bei ihren Lehrern und waren oft so auf einzelne Bürgerhäuser verteilt. Dieser Campus, kann man ja kaum nennen, aber diese einzelnen Gebäude waren halt wirklich so im Bereich Riemergasse, Bäckerstraße, Postgasse verteilt. 1624 konnte man es dann wirklich zu einer Grundsteinlegung für einen wirklichen Universitätscampus. Und das ist dieser Campus, den man heute so kennt. Das ist die alte Universität und eben das Jesuitenkolleg. Also die Jesuiten spielen bei der Gründung der Universität eine ganz wichtige Rolle. Ferdinand II. holt ja auch die Jesuiten ins Land, fördert sie extrem. Sie sind wirklich so die Speerspitze in der Gegenreformation.-Ein sehr intellektueller katholischer Orden.-Ja, ein Kampforden, richtig. Der sich aber natürlich auch auf Wissen beruft. Ja. Der sehr wissensbegierig ist und das Wissen auch fördert. Und 1624 wird eben die Universitätskirche Maria Himmelfahrt und geweiht auch dem heiligen Ignatius und Franz Xaver, den Schutzheiligen der Jesuiten, eben auf dem Ignaz-Seipel-Platz oder wie er damals hieß, das Jesuiten-Platzl errichtet. Das war so der Kern einmal dieses neuen Campus. Und dann werden rundherum einzelne Gebäude gebaut. Jesuitenkirche eben, das Jesuitenkolleg, sogar mit Sternwarte. Also die erste Sternwarte Wiens war auch dort situiert. Es gibt einen Bibliothekstrakt, das Stöckelgebäude, die alte Aula und so weiter.-Wer hat sich bei der Sternwarte um wen gedreht? Nein, ich glaube die Frage war schon entschieden, wer sich von den Sternen her um wen dreht.-Also ja, das war schon klar, obwohl auch hier die Jesuiten ja aufgeschlossen waren gegenüber der Wissenschaft. Die haben das ja nicht abgelehnt. Aber es musste halt alles unter kirchlicher Kontrolle erfolgen. Lange Zeit, so fast 80, 90 Jahre bleibt es so situiert, aber die Situation ist sehr unbefriedigend. Und Maria Theresia bringt praktisch die erste Reform vor. Sie möchte Neubauten haben, sie möchte Universitäten ausbauen. Das hängt vor allem zusammen mit der Förderung nationaler Eliten. Verlorene Kriege gegen die Preußen, Verlust von Schlesien, das alles führt eigentlich zum Entschluss, hallo, wir brauchen unbedingt eine Verwaltungsreform. Unsere Juristen sind schlecht ausgebildet, wir haben schlechte Mediziner. Daher muss die Universität neu aufgestellt werden. Die ist auch eine sehr nationale Angelegenheit, diese Universität. Man will die nationalen Eliten fördern, also keinen Zuzug ausländischer Professoren oder Studenten, sondern es geht ja wirklich um Österreich. Hier entsteht so praktisch auch ein Nukleus österreichischer Studentenschaft und sowas wie eines österreichischen intellektuellen Lebens. Und es geht natürlich auch um die Hebung des Images der Kaiserstadt. Es erfolgen Reformen, insbesondere unter Franz Swieten in der Medizin und Kaunitz unter Verwaltung. Und da gibt es eigentlich einen Schub durch die österreichische Gesellschaft zu dieser Zeit.-Man könnte heute sagen, bekannte aufklärerische Reformer.-Ja, sie waren schon wirklich so die Vorreiter, zu sagen, hallo, so geht das nicht weiter. Also das Mittelalter ist vorbei. Wir haben auch neue Herausforderungen in diesen neuen kolonialen imperialen Auseinandersetzungen der großen Reiche. Und 1753 beschließt Maria Theresia den Ausbau der Universität. Und Schwerpunkt ist aber die Medizin und die Rechtswissenschaft. Und es gibt aber auch inhaltliche Neuorientierungen. Es gibt eben mehr Praxis und vor allem eine Orientierung auf rationalistisch orientierte Wissenschaften. Und 1756 gibt es dann wirklich den ersten wirklichen Neubau. Nämlich die neue Aula, die man so kennt, wie man von der Jesuitenkirche steht. Auf der linken Seite ein total schönes Barockgebäude, sehr prächtig innen ausgebaut. Tolle Wand- und Deckengemälde. Steht aber alles noch unter der Kontrolle der Jesuiten. Und Jesuiten sind aber durchaus nicht bei den Habsburgern Maria Theresia und Joseph II. gut angeschrieben. Und 1773 wird ja auch der Jesuitenorden aufgehoben. Und die Uni steht ab dann unter staatlichem Kuratel. Das heißt, es ist eine Säkularisierung der Universität, die aber durchaus auf Widerstand der Professoren getroffen ist. Weil die waren gar nicht so erfreut davon. Es waren natürlich viele selbst Jesuiten oder waren Teile des theologischen Apparats.-Die kamen aus der alten Elite.-Genau, und wollten eigentlich nicht unter staatlichen Kuratel gestellt werden. Wobei man auch sagen muss, deswegen war die Wissenschaft sehr viel freier. Vorher hat die Kirche das kontrolliert, jetzt kontrolliert es der Staat. Und er hat ein sehr restriktives Unterrichts- und Ausbildungssystem. Also die Bücher sind genau legitimiert. Das muss alles durch den Zensor durch. Also das ist so ein sehr komplexes Überwachungssystem. Gleichzeitig gibt es aber lustige Veränderungen. Also zum Beispiel, das erste Problem für die Professoren ist so, sie wollen neue Talare haben. Es braucht so neue ehrenwerte Kostüme. Und Maria Theresia sagt davor, das interessiert sie nicht. Also Originalzitat, man soll sich mit solchen unnützen Sachen nicht behelligen.-Das ist völlig sympathisch.-Und Joseph II. verbietet überhaupt die Talare danach. Was auch das Stadtbild dort ändert. Und er sagt auch, er will mit diesen reichen bebrämt samtenen Mäntelchen der Rektoren nichts zu tun haben. Verbietet es ihnen. Und wie immer pragmatisch, Joseph II. sagt, sie haben das zu verkaufen und das Geld soll in die Fakultätskassen laufen, die ohnehin immer klamm sind.-Erfrischend. -Ja. Interessant, danach ist auch die Kleidung der Professoren, auch wenn sie auftreten auf den Festen, Feierlichkeiten oder auf der Straße, sie sind dann immer schwarz gekleidet, sie haben dann nicht mehr so eine Ehrenkette umhängen. Und das ist auch bis 1927 so, dass es keine Talare gibt und die werden erst praktisch so mit dem Refeudalisieren der Universität, wird das wieder eingeführt.-Neuerfindung von Traditionen, die es so gar nicht gegeben hat.-Ja, also, was interessant, heute tragen sie sie wieder, vielleicht auch durchaus mit Ironie und durchaus vielleicht auch mit Spott und Witz, aber eigentlich war das Ding schon weg, dieser Teil, diese Talare. Die Universität bleibt dann lange Zeit eigentlich so, wie sie steht. 1827 bis 1829 kommt dann noch weitere kleine Einrichtungen dazu, Bibliothek etc. Aber man kann so sagen, das ist eigentlich, die Gebäude bleiben so. Aber sie sind völlig unbefriedigend für den Universitätsbetrieb. Es ist dunkel, sie stinken, sie sind viel zu klein, sie platzen aus den Nähten, weil sehr viel mehr Studenten an die Universität wollen. Ja, zum Beispiel die medizinische Abteilung seziert hier zwar nur im Winter am Anfang, aber durch den Zuzug von vielen anderen Studenten und der Vermehrung oder der höheren Anforderungen, wird auch im Sommer zum Beispiel dort seziert, was natürlich zu einem unmenschlichen Gestank führt und auch zu sehr unhygienischen Verhältnissen. Also ab den 20er, 30er Jahren des 19. Jahrhunderts überlegt man, man braucht eigentlich ein neues Gebäude. Es gibt dann schon Pläne, was dazwischen kommt, ist aber 1848 die Revolution.-Da sind natürlich die Studierenden vor allem beteiligt.-Genau, da sind die Studierenden ganz vorne mit den Arbeitern. Es gibt auch dort Versammlungen am Ignaz-Seipel-Platz. Die Studenten errichten Barrikaden und das gefällt natürlich der Universitätsverwaltung überhaupt nicht.-Hätte auch dem Seipel nicht gefallen später.-Hätte auch dem Seipel überhaupt nicht gefallen und dementsprechend auch gibt es Restriktionen. Das Militär rückt vor. Wie wir ja wissen, 1848 die Revolution wird niedergeschlagen und lange Zeit wird die Universität von Militär besetzt. Also das war bis 1857 bleibt das Militär auch in der neuen Aula als Kaserne. Also zum Teil werden auch wertvolle Präparate in der Medizin zerstört, indem sie auch den Alkohol dort einfach missbräuchlich verwenden. Und solange die neuen Kasernen, diese Sicherungskasernen, in der Stadt nicht entstehen, so lange bleibt das Militär auch auf der Uni. 1857 wird dann das Arsenal und auch die Franz-Josefs-Kaserne, die ja dann später abgerissen wurde, errichtet. Man hat damit so die Stadt und vor allem die Studenten unter Kontrolle. Und dann kann man sich überlegen, die Universität wieder der Öffentlichkeit zu übergeben, peu à peu. Wird dann aber auch überlegt, man braucht überhaupt ein neues Universitätsgebäude. Und mit dem Ausbau der Ringstraße und mit dem ganzen Überlegung, wie kann man überhaupt die Stadt neu konzipieren, wird dann die jetzige Universität auch geplant und auch umgesetzt. Das Stubenviertel selbst entwickelt sich auch natürlich mit der Öffnung des Raumes, mit der Niederreißung und der Beseitigung der Stadtmauern ebenfalls weiter. Also es gibt nach wie vor noch diesen engen Kern, aber zum Beispiel um die Postsparkasse.-Heutige Postsparkasse, der Otto-Wagner-Bau?-Ja, entsteht ein komplett neues Wien, also Jugendstil, Art Deco kommt hier zum Tragen, also eine moderne neue Architektur. Aber Teile vom Stubenviertel bleibt eigentlich noch in diesem mittelalterlichen Charakter und entwickelt sich zwar lokal als Tourismusmagnet, aber die Bausubstanz wird zwar verbessert, aber in der Grundeinheit bleibt es so erhalten, wie es eigentlich viele Jahrhunderte der Fall war.-Ja, damit würde ich sagen, sind wir ja mit der Geschichte des Stubenviertels und der alten Universität am Ende. Was ist dein Lieblingsort?-Ja, mein Lieblingsort ist eigentlich der Franziskanerplatz. Das ist einfach ein super schöner Platz. Da kann man schön Kaffee trinken, hat man auch diese Mischung von Mittelalter, Kloster und auch modernem Stadtleben kann man dort erleben.-Da schließe ich mich an, da gehen wir einfach in das kleine Café gemeinsam einen Kaffee trinken. Es ist wirklich ein wunderschöner Platz, also große Empfehlung. Wer dort noch nicht ab und zu ist, einfach mal hinschauen. Ansonsten würde ich sagen. Schreibt uns doch, welche Grätzl ihr in Zukunft besuchen und von uns vorgestellt haben wollt in einer historischen Perspektive. Am besten unter podcast@ma53.wien. gv.at. Es verabschieden sich Andreas und Walter.-Will man sich über die Geschichte der Universität von Anbeginn ein Bild machen, so greift man am besten zum Buch "Stätten des Wissens. Die Universität Wien entlang ihrer Bauten, 1365 bis 2015", das von Julia Rüdiger und Dieter Schweizer herausgebrachte Werk beschäftigt sich mit 650 Jahren Unigeschichte und bietet dabei gleichzeitig Einblicke auch in die allgemeine Kultur und Stadtgeschichte. Erschienen 2015 bei Böhlau. Richard Perger schrieb 1991 im Rahmen der Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte die Arbeit "Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen". 1991 bei Deutige herausgebracht. Die Publikation ist eine kluge Begleiterin fürs ziellose und informative Herumschlendern durch die Wiener Innenstadt. Wie die innere Stadt sich über die Jahrhunderte entwickelte, kann man sich am besten bei den großen Stadtmodellen im Wien Museum ansehen. Keine Karte und keine interaktive Station können solche ausladenden Modellen das Wasser reichen. Öffnungszeiten siehe Webpage des Museums. Der Eintritt in der Dauerausstellung ist frei.